Meinung: 25 Jahre nach dem Brandanschlag - Was der türkische Außenminister in Solingen lernen kann

Der 25. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen, bei dem in der Nacht zum Pfingstsonntag die türkischen Solingerinnen Gürsün Ince (27), Hatice Genç (18), Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genç (9) und Saime Genç (4) von deutschen Jugendlichen ermordet und 14 weitere Angehörige der Familie Genç teils lebensgefährlich verletzt wurden, ist denkbar ungeeignet für politische Demonstrationen jeglicher Art.

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Das spricht nicht gegen den Besuch des türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der am 29. Mai in Solingen eine Rede halten will. Das haben türkische Politiker bei den „runden“ Jahrestagen dieses schlimmsten Höhepunkts der Welle rechtsextremer Gewalt unmittelbar nach der Wiedervereinigung immer wieder getan. 2013 beim 20. Jahrestag war es der damalige stellvertretende türkische Ministerpräsident (und damit Erdogan-Vertreter) Bekir Bozdag, der in Solingen sprach — und mehr oder weniger das Gleiche sagte wie die damalige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.

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Böhmer gestand als Regierungsmitglied in Solingen mit Blick auf die neun rassistischen NSU-Morde zwischen 2000 und 2006 an überwiegend türkischen Einwanderern ein, dass die Anstrengungen gegen eine Wiederholung rechtsradikaler Mordtaten nicht ausreichend gewesen seien. Und Bozdag erklärte, Rassismus sei eine schlimme Krankheit, „auch in anderen Ländern, auch bei uns“.

In dem Haus der Familie Genc kamen am 29.5.1993 fünf Mitglieder der Familie ums Leben. Das abgebrannte Haus nach dem Anschlag. Heute stehen fünf Kastanien auf dem Grundstück.

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Man darf auch dem türkischen Außenminister durchaus ein Gespür dafür zutrauen, wie ungeeignet der Solinger Jahrestag zu Instrumentalisierungen für das politische Tagesgeschäft ist. Und Cavusoglus kann — wie jeder von uns — beim Zusammentreffen mit der inzwischen 75-jährigen Mevlüde Genç, die vor 25 Jahren zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hat, etwas fürs Leben lernen: den Respekt vor Menschen und ihrer Würde, unabhängig von Herkunft und Religion.

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Über alle Rückschläge, Schwierigkeiten und Verhärtungen der vergangenen 25 Jahre hinweg hat sich Mevlüde Genç, unermüdlich für Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen in Solingen eingesetzt. „Mevlüde Genç ist die beeindruckendste Frau, der ich jemals begegnet bin“, hat Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) über sie gesagt. Es kann Mevlüt Cavusoglu kaum schaden, eine große Deutsche türkischer Herkunft kennenzulernen.