Meinung Neue Töne aus Nordkorea
Charmeoffensive mit Worten statt Drohkulisse mit Atombomben: Nordkoreas Diktator Kim Jong Un will sich aus der Isolation befreien. Mit beeindruckender Geschwindigkeit hat der Machthaber seine Strategie den Umständen angepasst.
Weitere Atomversuche und Raketentests werde es nicht geben, lässt der Präsident verkünden. Nordkoreas Nuklearprogramm sei abgeschlossen. Nun könne sich das Land der wirtschaftlichen Modernisierung zuwenden.
Warum ist Kim auf einmal zum Dialog bereit? Vor allem deshalb, weil die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates wirken. Faktisch unterliegt Nordkorea einer Wirtschaftsblockade. Selbst China, der mit Abstand wichtigste Handelspartner des Landes, setzt die Beschlüsse seit Monaten um. Die Sanktionen lassen der nordkoreanischen Wirtschaft keine Luft zum Atmen mehr. Hinzu kommt, dass Kim es trotz dieser widrigen Umstände allem Anschein nach geschafft hat, Nordkorea zur Nuklearmacht aufsteigen zu lassen. Im Grunde dient das ganze Atomprogramm des Landes nur dem Ziel, vom Rest der Welt ernst genommen zu werden. Und das ist dem Diktator gelungen. Nächsten Freitag trifft sich Kim mit Südkoreas Staatspräsident Moon Jae In. Und im Juni soll es zum Gipfel mit US-Präsident Donald Trump kommen. Für Kim wäre es ein diplomatischer Triumph, Gespräche auf Augenhöhe mit dem mächtigsten Mann der Welt zu führen.
Gemessen an den wüsten Beschimpfungen, die noch vor wenigen Monaten die Tonlage zwischen Kim und Trump bestimmt haben, ist die jüngste Entwicklung ein Grund zur Freude. Allerdings: Der Grundwiderspruch bleibt. Nordkorea will an seinen Atomwaffen festhalten, für Kim sind sie eine Art Garantie zum Überleben seines Regimes. Die USA und Südkorea erwarten dagegen, dass sich der Diktator von seinen nuklearen Sprengköpfen trennt. Schwierig, ja. Aber besser waren die Bedingungen für kluge Diplomatie seit Jahrzehnten nicht.