Merkels Europapolitik: Kohls Mädchen auf Abwegen
Die Kritik an Angela Merkels Europapolitik wächst
Eigentlich ist es völlig egal, ob Helmut Kohl wirklich den Satz, Angela Merkel mache ihm sein Europa kaputt, gesagt hat. Allein die Tatsache, dass solch eine Aussage über die Taten seines einstigen „Mädchens“ nur in der Schärfe überrascht, aber ansonsten allen nur logisch erscheint, zeigt: Die Bundeskanzlerin riskiert mit ihrem wenig beherzten Vorgehen bei der Euro-Krise sehr viel. Die Angriffe der Opposition brauchen sie dabei weniger zu erschrecken, wenn es aber in den eigenen Reihen vernehmbar rumort, dann müssen Alarmglocken läuten.
Denn die Union hat schon immer für ein starkes und einiges Europa gekämpft. Was Konrad Adenauer mit Charles de Gaule einst begann, setzte Helmut Kohl in seiner Amtszeit konsequent fort. Angeblich ist der mittlerweile 81-Jährige extrem stolz darauf, einziger lebender Ehrenbürger Europas zu sein. Solch eine Tradition verpflichtet — und belastet auch seine einstige Ziehtochter Merkel. Diese bekennt sich zwar verbal zu den europäischen Zielen, handelt jedoch immer wieder gegensätzlich.
Als sie zum Beispiel vor einigen Wochen über die Urlaubsgewohnheiten in krisengeschüttelten EU-Ländern lästerte, gab ihr das einen kurzfristigen Popularitätsschub. Aber abgesehen davon, dass sie peinlicherweise bei den Fakten ziemlich daneben lag, war das nicht sehr schlau. Im Inland verspielt sie Glaubwürdigkeit, im EU-Ausland ist so etwas ein politisches Desaster. Die Vorreiterrolle in Europa beinhaltet auch, sich gelegentlich schützend vor schwache Staaten zu stellen. Sie ist da rasch verspielt.
Angela Merkel wäre also nicht nur aus innerparteilichen Gründen gut beraten, wenn sie sich entschlösse, Gestalterin und Krisenmanagerin des schon etwas ramponierten Europas werden zu wollen. Denn schließlich hat ihre Partei bisher die positive Entwicklung der Europäischen Union vorangetrieben — und auch die gravierenden Fehler mitzuverantworten.
Die Kanzlerin kann sich also nicht aus der Verantwortung stehlen. Außerdem wäre das wirtschaftlich nicht klug. Denn trotz aller Bedrohungen wegen der Euro-Krise ist Deutschland einer der Hauptprofiteure der Einheitswährung. Wir verdanken ihr die hohe Exportquote und die gute Konjunkturentwicklung. Auch das darf Angela Merkel nicht ignorieren.