Meinung Nachhilfe - Das Geschäft mit den Noten
Nachhilfeunterricht ist hierzulande ein florierender Geschäftszweig. Rund 1,2 Millionen Schüler sind Kunden in diesem System. Pro Jahr geht es um etwa 900 Millionen Euro. Gesetzliche Qualitätsstandards für die zumeist privaten Nachhilfe-Institute gibt es nicht.
Die Anbieter unterliegen dem Gewerberecht, die Schulaufsicht ist nicht zuständig. Zwar gibt es freiwillige Zertifikate, doch 70 Prozent der Anbieter haben sich keiner derartigen Prüfung unterzogen — so das Ergebnis einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Bei der Nachhilfe in Deutschland handelt es sich um einen riesigen, intransparenten Markt.
Schlechte Noten oder übertriebener Ehrgeiz — an guten Gründen, seinen Nachwuchs zum Unterricht nach dem Unterricht zu schicken, mangelt es aus Sicht der Eltern nicht. Dabei zeigt die Böckler-Studie: Kinder aus höheren sozialen Schichten erhalten die meiste Nachhilfe. Die Eltern haben Angst davor, dass es nach der Grundschule keine Empfehlung fürs Gymnasium geben könnte. Oder dass es mit dem Einser-Abi und dem gewünschten Studienplatz nicht klappt. Was sich hier offenbart, gefährdet das Fundament der Demokratie: Bildungschancen hängen vom Geldbeutel der Eltern ab. Gleiche Startchancen für jedes Kind gehören zwingend zum Wesen einer Gesellschaft, die als gerecht wahrgenommen werden will.
Ein Weg zur Lösung des Problems sind Ganztagsschulen. Sie bieten einen professionellen Rahmen, um Kinder gezielt zu fördern, statt sie in das Parallelsystem Nachhilfe zu schicken. Außerdem findet der Unterricht dort in öffentlicher Verantwortung statt, die Qualität kann leicht überprüft werden. Richtig: Ganztagsschulen kosten viel Geld. Aber wird nicht die Bildung immer zuerst genannt, wenn es um die Frage geht, wohin Steuermilliarden fließen sollten? Im Vergleich zu anderen Industrienationen haben wir bei Ausgaben für die Bildung immer noch Nachholbedarf.