Meinung Netanjahus Einsicht
Man kann Israels Regierung wirklich nicht nachsagen, allzu empfindlich auf öffentliche Anwürfe zu reagieren. Wer beinahe täglich einer oft nicht eindeutig voneinander getrennten Mischung aus berechtigter Kritik, antiisraelischer Propaganda und antisemitischer Hetze ausgesetzt ist, härtet ab.
Aber dass die Debatte um die afrikanischen Flüchtlinge im Land neben allen menschlichen Aspekten auch ein gehöriges PR-Desaster war, hat selbst die Regierung Netanjahu begriffen. Sie rudert zurück — und das ist gut so.
Wer auch immer im Zusammenhang mit Israel mit Personenzahlen hantiert, muss berücksichtigen, wie klein und dicht besiedelt das Land mit seinen gut 8,5 Millionen Einwohnern im Vergleich ist. Dennoch: Die Zukunftsperspektive von gerade mal 40 000 afrikanischen Flüchtlingen durch die im Januar ausgegebene Parole „Ausreisen oder Gefängnis“ so infrage zu stellen, war völlig unverhältnismäßig.
Das hat nicht nur für internationale Kritik gesorgt, sondern auch die eigene Bevölkerung gegen die Regierung aufgebracht: Holocaust-Überlebende protestierten und noch vor einer Woche gingen in Tel Aviv mehr als 20 000 Menschen dagegen auf die Straße.
Der jetzt gefundene Kompromiss, einen Teil der Afrikaner im Land zu belassen und einen anderen Teil auf westliche Staaten zu verteilen, darunter womöglich auch Deutschland, verschafft Netanjahu Luft. Das Thema könnte für die nächsten Jahre ausgestanden sein, zumal die Befestigung der Grenze zum Sinai, Haupteinwanderungsweg der Afrikaner, inzwischen abgeschlossen ist.
Derweil ist nach den Protesten und Toten im Gazastreifen der nächste Kampf um die Deutungshoheit schon voll entbrannt. Aber billige Vergleiche sind grundfalsch. Hinter der Hamas-Forderung nach einem „Rückkehrrecht für Flüchtlinge“ steht in Wahrheit der alte Traum von der Vernichtung Israels. Staatliche Härte ist dort ungleich berechtigter als im Fall von 40 000 afrikanischen Flüchtlingen.