Meinung Was der Fall Schulz lehrt
Wie brutal Politik sein kann, das hat Martin Schulz innerhalb eines Jahres wie kaum ein anderer zuvor erleben müssen. Gottgleich von der SPD verehrt, dann wie ein Versager verteufelt und verjagt. Sein politischer Abstieg ist aber nicht über ihn gekommen wie eine Naturgewalt.
Das hat auch Schulz inzwischen eingesehen. Er selbst hat während des Wahlkampfes und nach der vergeigten Bundestagswahl viele Fehler begangen. Am Ende ist sein Rücktritt von allen Ämtern konsequent und notwendig gewesen. Freilich hätte Schulz schon eher die persönliche Reißleine ziehen müssen — spätestens nach der zweiten Festlegung, nicht in eine große Koalition gehen zu wollen, ohne die Einlassungen des Bundespräsidenten abzuwarten. Auch das gesteht Schulz mittlerweile zu.
Der Mann aus Würselen kann einem wahrlich leid tun. Er hat tatsächlich daran geglaubt, die Mechanismen des knallharten, politischen Betriebes in Berlin ändern und der Politik insgesamt ein besseres Antlitz geben zu können — authentischer und glaubwürdiger eben. Am Ende ist Schulz an diesem Anspruch selbst gescheitert, weil er sich selbst verbogen hat.
Sein Fall wirft zugleich ein Schlaglicht darauf, dass Freundschaft in der Politik nicht funktioniert, wenn es um Macht und Karriere geht; wenn die Egos größer sind als die Fähigkeit, auch in heiklen Zeiten zusammenzuhalten. Der Fall von Martin Schulz stellt aber auch die SPD in kein gutes Licht. Sie ist eine Schlangengrube. Das können andere Parteien zwar auch sein, aber der Verschleiß an Vorsitzenden ist nun mal bei den Genossen am größten. Zimperlich gehen sie mit ihren Heilsbringern nicht um.
Erinnert sei nur an den gutmütigen Kurt Beck, der genauso vom Hof gejagt wurde. Die SPD lernt nicht aus ihren Fehlern, sie ist stets auf der Suche nach der reinen Lehre, sie lässt sich gerne blenden. Wenn sich das nicht ändert, kann man bereits jetzt fragen: Wie lange wird Andrea Nahles als künftige Vorsitzende wohl durchhalten?