Nach Druck der NRW-SPD: Martin Schulz verzichtet auf Ministeramt

Martin Schulz will wegen des steigenden Drucks aus den eigenen Reihen auf das Außenministerium in einer großen Koalition verzichten. Hier gibt es seine Stellungnahme im Wortlaut.

Martin Schulz will auf das Amt des Außenministers verzichten.

Foto: Kay Nietfeld

Berlin. Der scheidende SPD-Chef Martin Schulz will nach einem Medienbericht wegen des steigenden Drucks aus den eigenen Reihen auf das Außenministerium in einer großen Koalition verzichten. Das bestätigte der Noch-SPD-Chef am Mittag. Offenbar wurde vor allen aus dem mächtigen SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen der Druck auf Schulz so groß, dass dieser seinen Verzicht erklärte. Wortwörtlich gab er folgende Stellungnahme heraus, die der Tagesspiegel zuerst verbreitete:

„Der von mir gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausverhandelte Koalitionsvertrag sticht dadurch hervor, dass er in sehr vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessern kann. Ich habe immer betont, dass - sollten wir in eine Koalition eintreten — wir das nur tun, wenn unsere sozialdemokratischen Forderungen nach Verbesserungen bei Bildung, Pflege, Rente, Arbeit und Steuer Einzug in diesen Vertrag finden. Ich bin stolz sagen zu können, dass das der Fall ist. Insbesondere ist die Neuausrichtung der Europapolitik ein großer Erfolg. Umso mehr ist es für mich von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen, weil sie von dessen Inhalten genauso überzeugt sind, wie ich es bin. Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurück stehen müssen.“

Der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Michael Groschek hat den Verzicht von Noch-Parteichef Martin Schulz auf den Außenministerposten begrüßt. „Damit leistet er einen notwendigen Beitrag dazu, die Glaubwürdigkeit der SPD zu stärken“, betonte Groschek am Freitag in einer Mitteilung.„Jetzt geht es darum, die vielen positiven sozialdemokratischen Inhalte des Koalitionsvertrages in den Mittelpunkt zu rücken und zahlreiche Verbesserungen für die Menschen im Land umzusetzen. Genau das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns“, so Groschek

Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, es gebe aus der SPD-Führung ein Ultimatum an Schulz, bis Freitagnachmittag auf das Außenamt zu verzichten. Hintergrund sei die Unzufriedenheit an der SPD-Basis und besonders im größten Landesverband Nordrhein-Westfalen. Schulz hatte ursprünglich angekündigt, nicht in ein Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel zu gehen.

Nach dem Verzicht hat die FDP die Postenvergabe bei Union und SPD scharf kritisiert. „Die neue Große Koalition demontiert sich, noch bevor sie im Amt ist“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Union und SPD geht es offenbar nur noch um Posten und nicht um unser Land“, sagte er. „Das ist eine Zumutung für Deutschland.“

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bedauert die Umstände des Rückzugs von Martin Schulz. „Menschlich kann einem das für alle Beteiligten nur leidtun“, sagte sie. „Offensichtlich versucht die Sozialdemokratie mit einem Akt der Verzweiflung, die Reißleine zu ziehen und opfert dafür auch den anständigen Umgang untereinander“, so Göring-Eckardt weiter. „Man kann nur hoffen, dass die Selbstbeschäftigung von SPD und CDU/CSU bald beendet ist.“ Das Land brauche eine stabile Regierung. „Dass Union und SPD in der Lage sind, für Stabilität und Vertrauen in die Politik zu sorgen, beweisen sie in diesen Tagen jedenfalls nicht.“

In der SPD wird am Freitag der Ruf nach einem Verbleib von Amtsinhaber Sigmar Gabriel laut. „Sigmar Gabriel ist ein sehr guter Außenminister. Sigmar Gabriel sollte Außenminister bleiben. Alles andere würde ich jetzt nicht mehr verstehen“, schrieb der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, am Freitag bei Twitter. Schulz hatte nach Druck aus den eigenen Reihen auf den Außenamts-Posten verzichtet. Gabriel, der nicht mehr für ein Regierungsamt gehandelt wurde, hatte der Parteiführung zuvor schwere Vorwürfe gemacht.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht sieht im Rückzug von Martin Schulz keine große Hilfe für die SPD. „Es wäre besser gewesen, Schulz hätte diese richtige Entscheidung souverän selbst getroffen und nicht erst unter Druck“, sagte Wagenknecht. „Der SPD wird dieser Schritt aber auch nicht viel helfen.“ Wagenknecht sagte weiter, viel problematischer als die Personalie Schulz sei der ausgehandelte Koalitionsvertrag. Dessen Umsetzung werde das Leben von Arbeitnehmern, Rentnern oder Pflegebedürftigen in Deutschland nicht verbessern und an der wachsenden Einkommens- und Vermögensungleichheit nicht das Geringste ändern. „Sozialdemokratische Politik sieht anders aus.“ dpa/red/afp