Meinung Am Ende geht der Plan Gabriels vielleicht noch auf

Berlin. Ein beherrschterer Mensch als Sigmar Gabriel hätte den Satz vom „Mann mit den Haaren im Gesicht“ einfach weggelassen, aber sonst: (fast) alles richtig gemacht, um aus einer aussichtslosen Lage heraus weiter in der Spitzenpolitik mitspielen zu können.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Martin Schulz, das wird kaum jemand ernsthaft bestreiten, ist keineswegs nur das Opfer seiner anlasslosen Selbstüberschätzung geworden, sondern auch der Strategie Gabriels.

Ulli Tückmantel.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Mitleid hat Martin Schulz freilich nicht verdient. Der „hohle Selbstbespiegler“, wie ihn „Welt“-Chefkommentator Jacques Schuster gestern nannte, hat in den vergangenen Wochen sein klein- und peinliches Eigeninteresse mit einer Scham- und Rücksichtslosigkeit verfolgt, die er nicht einmal im erzwungenen Rücktritt abzulegen in der Lage war. Dieser Rücktritt erfolgte 20 Stunden nach der Erklärung, er, Schulz, wolle als Außenminister „dafür sorgen, dass die Inhalte, für die wir in den letzten Wochen gestritten haben, auch umgesetzt werden.“

Seine Rücktrittserklärung am Freitag begann Schulz mit den Worten: „Der von mir gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausverhandelte Koalitionsvertrag sticht dadurch hervor . . . “ Ich, mein und mir — das ist Schulzens ganze Welt. Die bei den Verhandlungen dabei waren, fühlen sich nicht mehr verpflichtet zu verschweigen, dass die „Ich AG“ Schulz in Wahrheit das schwächste Glied in der Verhandlungskette gewesen sei, während Andrea Nahles, Malu Dreyer und Manuela Schwesig die echten Kämpfe ausfochten.

Als Sigmar Gabriel im Januar 2017 völlig überraschend die SPD-Kanzlerkandidatur dem weitgehend unbekannten Europapolitiker Martin Schulz überließ, tat er das nicht aus der Überzeugung, Schulz sei der geeignete Mann. Im Gegenteil. In Martin Schulz hatte Gabriel einen „Herausforderer“ gefunden, den er prima als würdigen Verlierer gegen Angela Merkel ins Rennen schicken konnte. Schulz war Gabriels beste Chance, sich selbst als Minister in eine neue GroKo zu retten.

Es gibt Kräfte in der SPD, die mit Schulz am liebsten auch gleich Gabriel für all seine Intrigen in die Wüste schicken würden. Wenn Andrea Nahles, die mit Gabriel eine lange, innige Parteifeindschaft pflegt, jedoch den Vorsitz und das Basis-Votum über den Koalitionsvertrag gewinnen will, muss ihr daran gelegen sein, diese Konfrontation zu vertagen. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.