Meinung Trump zwingt Europa zum Erwachsenwerden

Die Politikstrategen in Berlin, Paris und Brüssel müssen ein gutes Jahr nach dem Amtsantritt von Donald Trump zur Kenntnis nehmen, dass dieser Mann es ernst meint. Die krawalligen Auftritte des US-Präsidenten dienen eben nicht nur als Inszenierung für die Wählerbasis.

Foto: Sergej Lepke

Dahinter steckt auch die Überzeugung, sein „America first“auf gemeingefährliche Art Wirklichkeit werden zu lassen. Binnen weniger Wochen hat Trump alle nachdenklichen, im Zweifel auch mal widersprechenden Berater in seiner Umgebung entlassen. Mit John Bolton ist bald einer der härtesten Falken für die Sicherheitspolitik zuständig. Bolton steht nicht für Dialog, sondern hält militärische Lösungen für die bessere Option. So wie Mike Pompeo, der Außenminister werden soll. Und wie Larry Kudlow, der als Trumps Wirtschaftsexperte Strafzölle befürwortet. Das Weiße Haus rückt nach rechts. Sehr weit nach rechts.

Die Finanzmärkte reagieren mit nachhaltiger Verunsicherung. Bei hohen Umsätzen brechen die Aktienkurse weltweit ein. Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist keine Twitter-Spielerei mehr, sondern findet im realen Leben statt. Mit unabsehbaren Folgen. Hinzu kommt, dass eine militärische Auseinandersetzung die Sphäre des Undenkbaren verlässt und zur echten Option wird. Sicherheitsberater Bolton will den Atomdeal mit dem Iran aufkündigen. Das bestärkt womöglich die radikalen Kräfte in Teheran, das Nuklear-Programm wieder aufzunehmen. Das wiederum könnte Israel — gestützt vom Verbündeten USA — als Rechtfertigung reichen, den Iran anzugreifen.

Trump zwingt Europa zum Erwachsenwerden. Wer dem US-Präsidenten als Bittsteller begegnet, kann seine Ziele gleich vergessen. Was der Milliardär versteht, sind jene ruppigen Töne, die er aus der Immobilienbranche kennt. Sollte Trump der EU mit Strafzöllen kommen, reicht es nicht, nur auf Verhandlungen zu setzen. Die Gemeinschaft muss auch mit Sanktionen antworten. Genauso wichtig: Europa darf sich nicht mehr darauf verlassen, dass Amerika für den militärischen Schutz sorgt. Der Notwendigkeit, zwei Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung für die Sicherheit auszugeben, kann sich auch Deutschland nicht länger verweigern. Die neue Bundesregierung wäre gut beraten, diesen Weg nicht verschämt zu gehen, sondern ihn offensiv zu erklären. Mehr Milliarden fürs Militär sind unpopulär, aber das muss der Frieden uns wert sein.