Pflegereform Ohne mehr Personal wird es nicht gehen
Kommentar: Die längst überfällige Pflegereform
Berlin. Die vom Bundeskabinett beschlossene Pflegereform zählt zu den weitgehend gelungenen Gesetzesvorlagen dieser Wahlperiode. Den Grundstein dafür hatte freilich schon SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gelegt, als sie vor fast einem Jahrzehnt (!) Experten mit radikalen Umbauvorschlägen zur Pflegeversicherung beauftragte. Bei Schmidts Nachfolgern Philipp Rösler und Daniel Bahr verschwand die Ideensammlung wieder in der Schublade — die beiden Freidemokraten scheuten die Konsequenz einer Beitragserhöhung.
Erst der amtierende Ressortchef Hermann Gröhe ging ernsthaft daran, die immer größer gewordene Baulücke im Pflegesystem zu schließen. Dafür gebührt dem CDU-Mann Respekt. Mit Gröhes Reform wird eine große Ungerechtigkeit beseitigt. Bislang orientieren sich die Pflegeleistungen in erster Linie an den körperlichen Leiden der Betroffenen. Damit soll nun Schluss sein. Gradmesser für eine künftige Pflegeeinstufung ist die noch verbliebene Selbstständigkeit der Betroffenen, unabhängig davon, ob sie mit physischen oder psychischen Gebrechen zusammenhängt. Das ist ein großer Fortschritt und für die wachsende Zahl der Demenzkranken von enormer Bedeutung.
Die Umstellung von den drei gewohnten Pflegestufen auf fünf Pflegegrade erlaubt es zudem, den Hilfebedarf besser auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden. Und auch pflegende Angehörige werden stärker sozial abgesichert.
Zentraler Schwachpunkt ist allerdings, dass Gröhe keine überzeugenden Antworten auf den zum Teil eklatanten Mangel an Pflegekräften gibt. Schon heute fehlen in der Branche mindestens 30 000 Mitarbeiter. Und durch die geplante Generalisierung bei der Ausbildung könnte sich das Problem noch verschärfen. Wegen der überfälligen Neudefinierung der Pflegebedürftigkeit haben in Zukunft aber nicht nur Hunderttausende Menschen mehr Anspruch auf Pflegeleistungen. Die Qualitätsanforderungen für die Pflegekräfte steigen mit der neuen Klassifizierung von Bedürftigkeit ebenfalls. Wie diese Entwicklung ohne spürbar mehr Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen bewältigt werden soll, bleibt ein Rätsel.