Meinung Perspektive für Rot-Rot?
Schluss mit der großen Koalition. Nach dieser erfrischend klaren Ansage steht die SPD zweifellos vor einem tiefen politischen Einschnitt. Das schwarz-rote Regierungsbündnis hat die einst so stolze Partei auf Zwergenmaß geschrumpft.
Nun sucht sie ihr Heil in der Opposition. Doch das allein kann noch keine Lösung sein für die vielen Nöte, die die Partei mit sich herumschleppt.
Was also bleibt zu tun? Um ihre existenzielle Krise zu überwinden, müsste die Partei wieder für größere gesellschaftliche Schichten attraktiv werden. Der klassische Industriearbeiter ist in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft immer seltener zu finden. Dafür gibt es immer mehr Studierte und junge Selbstständige, aber auch viele Abgehängte. Die größte Herausforderung besteht darin, für diese sehr verschiedenen Gruppen eine überzeugende sozialdemokratische Erzählung zu finden. Diese Erzählung kann nur lauten: Mehr Gerechtigkeit, mehr Chancengleichheit und mehr Durchlässigkeit der sozialen Schichten.
Auch machtpolitisch ist die SPD in einer schwierigen Lage. Eingezwängt zwischen der AfD und den Linken die Oppositionsbänke zu drücken, ist kein Vergnügen. Doch diese Konstellation hat auch eine interessante Kehrseite: Weil die AfD als politischer Ansprechpartner ausscheidet, ist Rot-Rot geradezu verdammt zur parlamentarischen Kooperation. Dafür sorgt schon die Geschäftsordnung des Bundestages. Zur Durchsetzung wichtiger Minderheitenrechte braucht es nämlich eine Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Abgeordneten. Das heißt: Nur im Zusammenspiel mit den Linken könnte die SPD zum Beispiel einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss erzwingen, oder eine Sondersitzung des Bundestages. Ob aus dem parlamentarischen auch ein politisches Zusammenspiel beider Parteien werden kann, ist zweifellos eine der spannendsten Fragen im neuen Bundestag. Und eine wichtige Aufgabe für die Führungen beider Lager.