Meinung ICE und TGV: Fusion könnte Krefeld stärker machen
Vor knapp drei Jahren stand die Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom schon einmal auf der Tagesordnung. Damals war Siemens-Chef Joe Kaeser sogar bereit, den Franzosen die Kontrolle über die Züge zu überlassen.
Das Geschäft scheiterte — auch deshalb, weil die Arbeitnehmer ihren massiven Widerstand angekündigt hatten. Heute liegen die Dinge anders. Die IG Metall lobt die angestrebte Zug-Allianz als „europäische Chance“. Siemens behält die industrielle Führung. In den Verhandlungen konnten die Arbeitnehmervertreter eine vierjährige Standort- und Beschäftigungsgarantie durchsetzen. Das sollte niemand geringschätzen.
Richtig ist aber auch, dass zwei Unternehmen eine Fusion eingehen, die sehr ähnlich sind. Siemens und Alstom bieten Signaltechnik, sie bauen U- und S-Bahnen, Regionalzüge und natürlich die Hochgeschwindigkeitszüge. Die Franzosen fahren den TGV, die Deutschen den ICE. Wenn die Schonzeit von vier Jahren nach Vollendung der Fusion vorbei ist (vermutlich Ende 2022), beginnt unweigerlich der Abbau von Stellen, droht das Aus für Standorte. Ökonomisch ergibt der Zusammenschluss nur Sinn, wenn Doppelstrukturen verschwinden. Kaeser hat die ehrgeizigen Ziele klar formuliert. Das fusionierte Unternehmen soll in sechs Jahren mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz erzielen, pro Jahr also mindestens um vier Prozent wachsen. Außerdem strebt er eine zweistellige Umsatzrendite an. Die Brutto-Gewinnmarge soll von acht auf elf bis 14 Prozent zulegen.
Dass sich die Bahnindustrie in Europa neu aufstellen muss, lässt sich nicht bestreiten. Weltmarktführer CRRC aus China agiert derart aggressiv, dass zu kleine Anbieter auf Dauer untergehen. Insofern ist nachvollziehbar, dass Siemens-Chef Kaeser seit Jahren mit den europäischen Konkurrenten Alstom und Bombardier über ein Zusammengehen spricht. Jetzt ist klar, dass Siemens und Alstom die Partner sind. Nicht klar ist, welche Standorte mittelfristig wackeln. Die Fertigung in Krefeld gilt als sehr wettbewerbsfähig, aber zentrale Bereiche der Bahnsparte wie Vertrieb und Einkauf sind nicht am Niederrhein angesiedelt, ebenso wesentliche Teile der Konstruktion. Durch die Fusion wächst der Druck, die Effizienz zu steigern. Davon könnte der Standort Krefeld letztlich profitieren, weil dort die Kräfte gebündelt werden. Zumal mit der Teststrecke in Wildenrath die weltweit modernste Anlage dieser Art in der Nähe ist.