Meinung Putins Coup zum Ausklang des Jahres
Für Wladimir Putin ist 2016 perfekt gelaufen. Der russische Präsident konnte mit außenpolitischen Erfolgen wirkungsvoll davon ablenken, dass er den Wohlstand seiner ganz normalen Landsleute erneut nicht zu mehren vermochte.
Mit seiner Reaktion auf die Ausweisung von 35 russischen Geheimagenten durch die USA gelingt Putin zum Jahresausklang noch ein echter Coup: Er verzichtet auf Vergeltung und lädt stattdessen die Kinder der US-Diplomaten zum Neujahrsfest in den Kreml ein. Die Botschaft ist klar: Das Handeln des US-Präsidenten Barack Obama interessiert ihn nicht mehr. Schließlich ist der in wenigen Wochen Geschichte. Den Mann im Weißen Haus muss niemand mehr ernst nehmen. Putin setzt schon jetzt auf Donald Trump.
Damit liegt der Ball im Spielfeld des künftigen US-Präsidenten. Niemand weiß, was er damit macht, vermutlich er selbst auch nicht. Die US-Geheimdienste haben sehr deutlich gesagt, dass sie genügend Beweise für russische Hackerangriffe im amerikanischen Wahlkampf haben. Auf der Basis dieses Wissens hat Obama agiert. Und er löste damit bei Trumps Republikanern durchaus Beifall aus. Der Chef des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, bezeichnete Obamas Sanktionen als „überfällig“. Führende republikanische Senatoren kündigten an, im Kongress auf noch schärfere Schritte gegen Moskau zu drängen. Das wird Trump nicht gefallen, aber der Konflikt ist da. Der neue Präsident muss sich entscheiden, ob er seinen Schmusekurs mit Putin fortsetzt. Oder ob er der Analyse der US-Geheimdienste und Militärs folgt, die Russland als Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten wahrnehmen.
Wer gehofft hatte, Trump werde nach der Wahl die Finger von Twitter lassen, sieht sich jedenfalls getäuscht. Nach wie vor nutzt der neue starke Mann in Washington den Kurznachrichtendienst, um selbst schwierigste Probleme auf Parolen zu reduzieren. Will er sein Amt in Häppchen von 140 Zeichen ausüben? Es sieht tatsächlich so aus. Kurz vor Weihnachten twitterte er, Amerika müsse sein „nukleares Potenzial schwer verstärken und ausbauen“. Es schien so, als wolle Trump eine neue Atomaufrüstung einleiten. Noch rätselt die Welt, ob er das wirklich gemeint hat. Als Trump den Flugzeugbauer Boeing wegen zu hoher Kosten für den neuen Präsidentenjumbo per Tweet mit „Auftrag stornieren“ abstrafte, brach Boeings Aktienkurs ein. Zum Gruseln, diese Art des Regierens.