Meinung Rechtsextremismus in Ostdeutschland: Realismus statt Schönfärberei

Der jährliche Regierungsbericht zum Stand der deutschen Einheit war in der Vergangenheit häufig ein Dokument der Schönfärberei. Erfolge bei der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West wurden stark überhöht, Probleme beim gesellschaftlichen Zusammenwachsen dagegen klein geschrieben oder gar nicht erst erwähnt.

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Der aktuelle Regierungsbericht macht damit endgültig Schluss. Er färbt weder schön, noch malt er schwarz. Vielmehr zeichnet der Bericht ein realistisches Bild über den immer noch großen wirtschaftlichen Nachholbedarf im Osten - und den besonders stark ausgeprägten Rechtsextremismus in den neuen Ländern.

Zweifellos sind Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz ein gesamtdeutsches Problem. Wahr bleibt aber auch, dass in Ostdeutschland im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine besondere Häufung von fremdenfeindlichen Übergriffen zu verzeichnen ist. Dazu genügt schon ein Blick in einschlägige Statistiken. Neu ist, dass nun auch die Bundesregierung in aller Ausführlichkeit große Sorgen darüber artikuliert und von handfesten Gefahren für die weitere Entwicklung in den neuen Ländern spricht.

Tatsächlich schadet es zum Beispiel dem Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern, wenn dort die Ausländerhetze um sich greift. Die an Kulturschätzen reiche Stadt Dresden bekommt das ebenfalls zu spüren. Manche ausländischen Fachkräfte bis hin zu wissenschaftlichen Kapazitäten überlegen inzwischen stärker, ob sie in der sächsischen Landesmetropole leben und arbeiten wollen. Denn Dresden steht eben auch für die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung.

Die ökonomische Lage kann dafür kaum ein Grund sein. Selbst im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern ist die Arbeitslosigkeit zuletzt spürbar gesunken. Genauso wie in Sachsen-Anhalt. Trotzdem fuhr die AfD dort ihre höchsten Wahlergebnisse in diesem Jahr ein. Dumpfe Gefühle und Vorurteile sind offenbar häufig stärker als nüchterne Fakten.

Wer sich wie die Rechtspopulisten solcher Gefühle und Vorurteile bedient, hat leichteres Spiel. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass die etablierten Parteien wegen ihrer besonderen strukturellen Schwäche im Osten kaum kampagnefähig sind, um den vermeintlich einfachen "Lösungen" vor Ort Paroli zu bieten.

Die große Mehrheit der Bevölkerung auch in den neuen Ländern steht gleichwohl für Demokratie und gegen braune Umtriebe. Sie darf sich die Erfolge beim Aufbau Ost nicht von einer enthemmten Minderheit kaputt machen lassen. Das verlangt zweifellos mehr Mut und Zivilcourage. Auch dafür ist die klare Ansage der Bundesregierung ein Signal.

Die Probleme jedenfalls lösen sich nur selten wie von selbst: Über den Mitgebegründer der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann, heißt es jetzt, er ziehe auf eine spanische Kanareninsel. Bachmann, ein Ausländer. Wer hätte das gedacht...