Rösler — der Präsidentenmacher
Koalition drohte zwischenzeitlich der Bruch
Wenn es nach den Bürgern ginge, hätten sich Koalition und Opposition alle Gespräche über einen Nachfolger für Christian Wulff sparen können. Mehr als jeder Zweite wünscht sich Joachim Gauck als neuen Hausherrn von Schloss Bellevue. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler gilt vielen in Deutschland schon lange als der gefühlte Bundespräsident, der Anstand, Moral und Integrität verkörpert — jene Eigenschaften, die durch die Wulff-Affäre arg in Mitleidenschaft gezogen worden sind.
Leider boten die schwarz-gelben Koalitionäre am Sonntag zunächst ein unwürdiges Possenspiel. Der Streit um die Personalie Gauck drohte bisweilen sogar zur Zerreißprobe für die Regierung zu werden. Denn im Gegensatz zu CDU und CSU hatte die FDP die Signale aus dem Volk gehört und machte aus der Gauck-Frage eine Koalitionsfrage. Der schwer angeschlagene FDP-Parteichef Philipp Rösler setzte alles auf eine Karte — und gewann. Weil er an Gauck festhielt und gegenüber der Kanzlerin ungewohnte Stärke zeigte, kann er sich nun als Präsidentenmacher fühlen. Ob sich das jedoch für die Liberalen bei der wichtigen Landtagswahl in Schleswig-Holstein in Stimmen auszahlen wird, ist längst nicht ausgemacht.
Für Angela Merkel ist das Ja zu Gauck ein schmerzhaftes Zugeständnis, um die Koalition zu retten. Zugleich gibt sie zu, dass sie weiland mit der Aufstellung Wulffs keine glückliche Hand bewiesen hatte. Sie hatte den Niedersachsen aus rein partei- und machtpolitischen Erwägungen zum Präsidenten erkoren und damit dem Amt großen Schaden zugefügt. Gerade das höchste Amt im Staate ist indes zu kostbar für Kuhhandel und Marktplatzgeschacher.
Die Entscheidung für Gauck ist richtig. Er ist parteipolitisch unbefleckt, verfügt dennoch über politische Erfahrung. Er ist unbestechlich und hat Autorität. Gauck ist jemand, der in Euro- und Wirtschaftskrise eine Ruckrede halten kann. Jemand, der den Bürgern das Vertrauen in die politische Klasse zurückgibt. In seinem neuen Buch denkt Gauck über unsere demokratische Gesellschaft nach und meint: „Nun müssen wir dieser Gesellschaft dabei helfen, daran zu glauben, dass sie den neuen Herausforderungen gewachsen sein wird.“ Daran kann er jetzt aktiv mitwirken.