Meinung Schäuble und die Angst vor der Altersarmut
Wolfgang Schäuble ist ein kluger Mann. Wenn der Bundesfinanzminister sagt, die Lebensarbeitszeit sollte an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden, hat der 73-Jährige grundsätzlich recht. Was aber nicht bedeutet, dass wir alle erst mit 70 in Rente gehen sollen.
Das hat der CDU-Mann auch nicht gefordert. Schäubles Vorstoß zielt auf die Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU). Die erwarten, dass in Deutschland massenhaft Altersarmut droht. Um das zu verhindern, wollen sie das Absinken des Rentenniveaus beenden. Das klingt zwar gut, geht aber am Kern des Problems vorbei.
Richtig ist, dass die Renten langfristig langsamer steigen als die Löhne. Dadurch sinkt das Rentenniveau. Das ist politisch gewollt und richtig, weil die Zahl der Rentner rascher steigt als die der Beitragszahler. Um die Lasten zwischen Jung und Alt gerechter zu verteilen, klettert die Altersgrenze bis 2029 schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr. Auch das ergibt viel Sinn. Altersarmut ist derzeit bei den über 65-Jährigen selten ein Thema. Lediglich drei Prozent von ihnen sind auf Grundsicherung angewiesen. Allerdings könnte die Zahl jener Menschen, die im Alter staatliche Hilfe brauchen, erheblich zunehmen. Nach einem Erwerbsleben mit Niedriglohn, Teilzeit-Beschäftigung und Arbeitslosigkeit wird es ohne Grundsicherung nicht zum Leben reichen. Für diese Fälle ist die Fürsorge aber auch gedacht.
Politisch brisant wird es aber, wenn immer mehr Menschen wegen mieser Bezahlung auch nach einem Berufsleben in Vollzeit eine Rente bekommen, die unter dem Existenzminimum liegt. Und dann noch die Ersparnisse aus ihrem Riester-Vertrag verlieren, weil diese Einkünfte mit der Sozialhilfe verrechnet werden. So darf es nicht laufen, weil das Vertrauen ins Rentensystem dabei verlorengeht. Das Verrechnen privater Alterseinkünfte mit der Sozialhilfe gehört abgeschafft.
Falsch wäre es allerdings, Seehofer und Gabriel zu folgen und das Absinken des Rentenniveaus zu stoppen. Dies würde alle Rentner besserstellen, nicht nur jene an der Armutsgrenze. Ohne stark steigende Beiträge oder noch höhere Steuerzuschüsse wäre das auf Dauer aber nicht zu finanzieren. Und selbst das würde nicht reichen. Wer wie Seehofer und Gabriel allen Ruheständlern neue Wohltaten verspricht, bahnt der Rente mit 70 für alle geradezu den Weg.