Späh-Affäre: Die Nöte der Bürger ernst nehmen
Der Wahlkampf überlagert die Aufklärung der Späh-Affäre
Für Otto Normalverbraucher ist die Späh-Affäre mit all ihren Fachbegriffen schon unverständlich genug. Zugespitzt wird die Verwirrung noch durch den Umstand, dass diejenigen, die die Affäre aufzuklären versuchen, schon im Wahlkampfmodus sind. Und der bestimmt einen Großteil der Fragen, die gestellt werden. Es geht stark um parteipolitische Verantwortung und um Personen.
Von wirklichem Belang bei dieser Art von Rückwärtsbetrachtung sind nur zwei Punkte: Haben die Amerikaner die Kommunikation Deutscher nicht nur auf US-Boden, sondern direkt in Deutschland abgeschöpft? Das ist nicht erwiesen. Aber wenn es stimmte, wäre das ein Angriff auf die staatliche Souveränität, der sofort beendet werden muss. Zweitens: Haben staatliche Stellen in Deutschland, vom Bundesnachrichtendienst bis zum Kanzleramt, von einer solchen Praxis gewusst und sie toleriert? Das wird verneint. Es wäre ein klarer Rechtsbruch und würde Rücktritte zwingend machen.
Allerdings ist schlecht vorstellbar, dass sich etwa Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) täglich die Schenkel klopft über Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), weil die glaubt, sie habe die Vorratsdatenspeicherung verhindert, während sie mit Hilfe der NSA heimlich praktiziert wird. Wahrscheinlicher ist da, dass man bei den Sicherheitsdiensten lieber nicht so genau wissen wollte, woher die USA ihre hilfreichen Hinweise auf Terrorverdächtige hatten.
Je mehr aus Walkampfgründen nur in die personelle Richtung gebohrt wird, desto mehr gerät eine andere Ebene außer Acht: die Bürger und die Firmen. Sie fragen sich, was sie schützen kann. Sie haben ein wachsendes Gefühl der Ohnmacht gegenüber Institutionen, die im Namen höherer Ziele handeln. Ihre Frage lautet: Wie behalten wir die Hoheit und Souveränität über das, was wir schreiben, sprechen, denken?
Angela Merkel hat ein zaghaftes Acht-Punkte-Programm dazu vorgelegt, das kaum mehr ist als ein Einstieg. Die anderen Parteien sollten folgen, vielleicht mit radikaleren Vorschlägen zum Datenschutz und zur Kontrolle der Geheimdienste. Jedenfalls ist das ein weit lohnenderes Wahlkampfthema als die Zukunft von Ronald Pofalla.