Fall Bushido: Nur böse Rapper machen Kohle
Mit seinem Skandal-Video verfolgt Bushido eine klare Strategie.
Leider darf man bei Bushido seinem ersten Reflex nicht folgen. Der lautet nämlich: Da ist einer durchgeknallt, am besten ignorieren wir das, um nicht noch Werbung für ihn zu machen. Doch bei dem Rapper funktioniert Totschweigen nicht.
Obwohl er als künstlerisch dürftig gilt, verfolgen viele Menschen elektrisiert sein Tun. Allein das mittlerweile nur über Umwege zugängliche Skandal-Video wurde schon fast eine Million Mal angesehen. Und darin ruft er eindeutig zur Gewalt etwa gegen die Grünen-Politikerin Claudia Roth auf. Homosexuelle beleidigt er brutal.
Dass so jemand 2011 den Integrations-Bambi erhielt, macht alles noch schlimmer. Die Jury scheint — so die Rückschau — damals geistig umnachtet gewesen zu sein. Korrektur ist nötig.
Doch alles Spektakel des sogenannten Künstlers wäre sinnlos, wenn er nicht in unserer Gesellschaft Aufmerksamkeit fände. Die ist ihm sicher, weil die Enttabuisierung von Privatem dank der dunklen Seiten des Internets weit fortgeschritten ist. Und weil via Internet-Netzwerken nicht nur sinnvolle Informationen — etwa der politischen Opposition in Diktaturen — sondern auch jede Art von vermeintlich ach so Lustigem oder Spektakulärem in einem Schneeballsystem millionenfache Verbreitung findet.
Dass einer wie Bushido das nutzt, ist klar. Dabei muss man ihm nicht einmal unterstellen, er habe total perverse Wertmaßstäbe. Er handelt mit Kalkül. Mit seiner Musik allein wird er nicht reicher. Sein Ruf ist durch den Integrations-Bambi, Bilder vom glücklichen Familienleben oder durch ein Foto mit Innenminister Hans-Peter Friedrich zu bürgerlich geworden.
Das Image des brav gewordenen Wilden verkauft sich aber nicht. Also hat sich der Rapper konsequent auf sein Rüpel-Image besonnen. Zurück zum Markenkern, würden Marketingexperten sagen.
Aber hoffentlich geht diese Rechnung nicht auf. Vielleicht wird es selbst den Bushido-Fans zu viel, und sie lassen seine CDs liegen, gehen nicht mehr zu Konzerten und Autogrammstunden. Wenn dann noch die attackierten Politiker sich nicht vor Klagen — einschließlich Schadensersatz — scheuen, dann wird der Rapper als Verlierer aus der ekligen Affäre herausgehen. Und etwas mehr Zurückhaltung beim unreflektierten Weiterleiten von Videos wäre auch nicht schlecht.