Meinung Warum die Gelbwesten in Frankreich auch viel mit Deutschland zu tun haben
Meinung · Von der Französischen Revolution 1789 bis zu den zu Pariser Barrikadennächten von 1968: Gegen wen sich Franzosen, ob von links oder rechts, auch immer gewandt haben: Der (auch) gewaltsame Protest auf der Straße hat in unserem Nachbarland anders als in Deutschland Tradition.
Der Aufstand der sogenannten Gelbwesten muss Europa aber extrem besorgen – und mithin auch Deutschland. Denn dieser Protest ist Abbild europäischer Entwicklungen, er richtet sich mit Allmacht gegen eine linksliberale politische Klasse, die Europa und den Globalismus im Blick hat, die sich europäisch vereinbarten Zielen verpflichtet fühlt, in der Diktion der nationalen Protestler dafür aber die eigene Bevölkerung vergisst.
Diese Sicht auf die Dinge umtreibt ähnlich auch Anteile der deutschen Bevölkerung. Wo die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander klafft, wo Wohnen mit immer neuen Auflagen stets unbezahlbarer wird, wo auf jahrzehntelange Arbeit keine akzeptablen Renten folgen, da wächst das Potenzial der Unzufriedenen – und ergießt sich fehlgeleitet und frustriert in Europa- und Ausländerfeindlichkeit.
Es verwundert wenig, dass rechte Gruppierungen in Deutschland bereits versuchen, die Gelbwesten-Bewegung für sich zu okkupieren und hier zu etablieren. Entstehen würde dann daraus eine wahrscheinlich falsch bestempelte, diffuse Gruppe mit ganz verschiedenen Anliegen, die nur ein Grundgefühl teilt: Dass es so, wie es läuft, nicht gerecht und gut ist.
Dass Macron erst auf dieses Grundgefühl reagiert hat, als der Straßenkampf ihn dazu gezwungen hat, ist fatal – und eine Lehre für die deutsche Politik: So ist der Straßenkampf fernab von bestraften Rechtsbrüchen legitimiert und als Mittel zum Zweck akzeptiert worden. Noch besteht in Deutschland die Chance, solches Versagen von Politik abzuwenden. Mit politischer Tatkraft, mit Ohren am Volk und mit guten Lösungen für die Bevölkerung.