Kommentar Warum Zschäpe Täterin und nicht Gehilfin der NSU-Morde war

Karlsruhe · Ja, muss denn eine Täterin nicht am Tatort dabei sein, zumindest „Schmiere stehen“, um als solche verurteilt werden zu können? Grundsätzlich ist das zwar so. Der Bundesgerichtshof entschied trotzdem gegen Zschäpe.

Beate Zschäpe

Foto: dpa/Tobias Hase

Um die Bedeutung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs zum NSU-Prozess zu erfassen, hilft die Was-wäre-wenn-Frage: Hätten die Richter der Revision der zu Lebenslang verurteilten Beate Zschäpe stattgegeben, so wäre sie nur als Gehilfin zu den Taten verurteilt worden.

Folge: Das „Lebenslang“ hätte in eine Freiheitsstrafe „nicht unter drei Jahren“ umgewandelt werden müssen. Und weil sich Zschäpes mörderische Mitstreiter der Verantwortung ja  durch Suizid entzogen hatten, hätte das auch bedeutet: Es hätte als Antwort der Justiz auf diese Verbrechensserie, deren Opfer willkürlich ausgesuchte, vor allem türkischstämmige Menschen waren, nur als „Gehilfen“ Verurteilte gegeben.

Nun ersetzt der Wunsch nach Vermeidung eines solchen Ergebnisses freilich keine juristische Argumentation. In dem 2018 nach mehr als 400 Verhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht München zu Ende gegangenen Strafprozesses konnte Zschäpe keine Anwesenheit an den Tatorten nachgewiesen werden.

Ja, muss denn eine Täterin nicht am Tatort dabei sein, zumindest „Schmiere stehen“, um als solche verurteilt werden zu können? Grundsätzlich ist das zwar so. Und dem Bundesgerichtshof fällt es in seinem 31-seitigen Beschluss auch nicht ganz leicht zu argumentieren, warum Zschäpe mehr als eine bloße „Gehilfin“ war. Dass sie „Tatherrschaft“ hatte. Dass ohne ihr Verhalten die von ihren Mittätern verübten Verbrechen nicht möglich gewesen wären.

Ein schmaler Grat, auf dem die obersten Richter sich da argumentativ bewegen – zwischen einer  (milder zu bestrafenden) Beihilfe und der nun letztinstanzlich festgestellten Täterschaft. Doch es wäre schwer erträglich gewesen, wenn es am Ende gar keinen verurteilten „Täter“ gegeben hätte, angesichts des perfiden Konzepts der Gruppe.

Danach sollte die Öffentlichkeit zunächst nur den Seriencharakter der Mordanschläge erkennen. Später dann sollte durch ein Bekennerdokument mit Blick auf all die Verbrechen an willkürlich ausgesuchten Opfern eine größere destabilisierende Wirkung eintreten – bis hin zu einer Staatsform entsprechend den nationalsozialistischen Vorstellungen der Gruppe.