München Nach der Sicherheitskonferenz: Keine Annäherung und Verweis auf Diplomatie
Nach der Münchner Sicherheitskonferenz haben sich die Aussichten auf schnelle Durchbrüche in Syrien, der Ukraine und bei der Flüchtlingskrise eher verdunkelt. Zwischen den Eskalationen wird immerhin weitergeredet.
München. Zivilisation, so der britische Diplomat Sir Robert Copper, drehe sich nicht darum, übereinzustimmen, sondern vielmehr um die Art, wie man nicht übereinstimme. Immerhin das funktioniert noch im vornehm bröckelnden Glanz des Fürstenzimmers im „Bayerischen Hof“ an diesem letzten Morgen der 52. Münchner Sicherheitskonferenz. Ein OSCE-Panel einflussreicher Politiker und Diplomaten stellt seine Forderungen und Empfehlungen zur europäischen Sicherheitspolitik vor. Überschrift: „Zurück zur Diplomatie.“ Und das ist auch schon alles, worauf das hochkarätig besetzte Gremium sich einigen kann.
Wolfgang Ischinger, früher deutscher Botschafter in den USA, sitzt diesem Gremium und der gesamten Sicherheitskonferenz vor — und holt erst einmal Luft. „Ich glaube nicht, dass es gestern nur schlechte Nachrichten gab“, fasst Ischinger den desaströsen Konferenz-Samstag zusammen, an dem der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew einen neuen kalten Krieg ausgerufen hat, Frankreich der Bundeskanzlerin in Sachen Flüchtlingsverteilung einen ziemlich deutlichen Korb gegeben hat und dem scheidenden US-Außenminister John Kerry wenig mehr eingefallen ist, als die Botschaft zu verkünden: Wir können den IS besiegen. Soweit, so finster.
Ja, die Konferenz habe gezeigt, so Ischinger: Es gibt multiple Konflikte, etliche Instabilitäten, es geht um gebrochenes Vertrauen und grundverschiedene Erzählweisen auf den jeweiligen Seiten, es gibt militärische Unterstützung auf der einen und den Missbrauch des Militärs, um Konfliktlösungen zu verhindern, auf der anderen Seite. Und ja, das alles kann die öffentliche Atmosphäre vergiften. Aber, sagt Ischinger, es gab auch Gespräche hinter den Kulissen. Und dort, wo keiner der Versuchung erliegen konnte, die Bühne der Konferenz für die innenpolitische Darstellung zu Hause zu nutzen, da sei es deutlich weniger konfrontativ zugegangen.
Und dann muss Ischinger auch schon wieder los, in das nächste Hinterzimmer. Derweil soll der SPD-Bundestagsabgeordnete und Russland-Beauftragte Gernot Erler mal erklären, wie die Bundesregierung unter diesen Voraussetzungen ihre OSZE-Präsidentschaft nutzen will, um die Rückkehr zur Diplomatie zu schaffen. Erler kämpft hörbar nicht nur mit der englischen Sprache, sondern offenkundig auch mit Vorstellungs-Lücken, die der Medwedew-Auftritt vom Samstag hinterlassen hat, die sich Putins Russland konstruktiver wünschen, als es derzeit auftritt. Weiterreden, sagt Erler, Vertrauen wiederherstellen. Es klingt hilfloser als es sollte.
Schon Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier tat sich am Samstag schwer, die Medwedew-Rede dahin kleinzureden, dass er den russischen Ministerpräsidenten eher so verstanden habe, dass dieser vor einem Abrutschen in einen neuen kalten Krieg habe warnen wollen. Dabei konnte auch Steinmeier nicht überhören, dass Medwedew in Wahrheit dort weitersprach, wo Putin bei der Sicherheitskonferenz 2007 in München geendet hatte — mit dem Unterschied, dass die Zahl der aktiven russischen Militär-Aggressionen sich seitdem vervielfacht hat. Was Putin aber nicht hören will. „Jeden Tag werden wir zu der größten Bedrohung für die Welt erklärt“, so Medwedew, dabei seien doch ganz andere schuld an den Krisen der Welt.
Die Welt, wie Medwedew sie im Namen Putins sieht: Die Besetzung der Krim und die Infiltration der Ost-Ukraine ist ein „Bürgerkrieg“ innerhalb der Ukraine. Das Abkommen von Minsk immer noch nicht vollständig umgesetzt? Schuld der Ukraine. Die Wirtschafts-Sanktionen gegen sein Land? Rechtsbruch. Der IS? Eine Schöpfung des Westens als Folge „der Staatenzerstörung des sogenannten arabischen Frühlings“. Und unverantwortlich, wie der Westen sei, lasse Europa mit den Flüchtlingen nun Terroristen über den Kontinent ziehen und Leute, denen es bloß um das Kassieren von Sozialleistungen gehe.
Das erklärt, warum selbst ein diplomatischer Berufsoptimist wie Frank-Walter Steinmeier die Chancen für einen schnellen Waffenstillstand in Syrien bei höchstens 51 Prozent sieht (und der russische Außenminister Sergej Lawrow bei lediglich 41 Prozent). Als OSZE-Vorsitzender sagt der deutsche Außenminister kernige Sätze, die darauf abzielen, Europa wenige Tage vor dem nächsten vom Scheitern bedrohten Gipfel auf einen Kurs jenseits der derzeitigen Kleinstaaterei zu bringen: „Die Flüchtlingskrise muss uns ein Anstoß sein, uns noch entschiedener international zu engagieren“, und: „Die wahre Kraft von Staaten misst sich daran, ob und wie sie Verantwortung für ihre Region tragen — am Verhandlungstisch.“
Und dennoch bleibt am Ende der Münchner Sicherheitskonferenz wenig mehr, als Steinmeier am Samstagmorgen — da noch zur Überraschung vieler Zuhörer — eindringlich formulierte: „Die Fliehkräfte in Europa sind so groß, dass wir selbst hier auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein Signal senden sollten und gemeinsam hart arbeiten, damit wir in einem Jahr bei der nächsten Sicherheitskonferenz noch dieselbe EU finden, wie wir sie heute haben. Dann wäre viel gewonnen. Wir müssen um Europa kämpfen!“