Rhein-Kreis. Neusser SPD kritisiert Berlin
Rhein-Kreis. · Nach dem desaströsen Ergebnis bei der EU-Wahl werden Konsequenzen gefordert.
Plötzlich, aber offenbar nicht unerwartet, traf das Europawahl-Debakel die Genossen im Rhein-Kreis. Kaum flimmerten die Prognosen über die Bildschirme und ploppten die ersten Schnellmeldungen aus den Wahllokalen auf, da meldete sich die Neusser SPD mit einer Basis-Botschaft an Andrea Nahles & Co. zu Wort: „Berlin, wir müssen reden!“ Unmissverständliche Forderungen: Raus aus der Koalition mit der Union und personelle Erneuerung „ohne Schulz und Gabriel“. Grevenbroichs Bürgermeister Klaus Krützen spricht von „einem schlimmen Tag für uns Sozialdemokraten“. Daniel Rinkert, Chef der Kreis-SPD, enttäuscht: „Eine krachende Niederlage.“ Die Initiative der Neusser Genossen sei mit ihm abgestimmt: „Es wird Zeit die SPD progessiv, modern und personell neu aufzustellen.“
Lokale Faktoren spielten bei dieser Europawahl kaum eine Rolle. Weitgehend spiegelten die kreisweiten Ergebnisse die Zahlen aus dem Bund: herbe Verluste für CDU und SPD, hohe Gewinne für die Bündnisgrünen, spürbares Plus für die FDP, Gewinne, die aber deutlich hinter den eigenen Erwartungen blieben, für die AfD, und eine mehr oder weniger auf bescheidenem Niveau stabile Partei „Die Linke“.
„Wir können uns von der Großwetterlage nicht abkoppeln“, sagt CDU-Chef Jürgen Brautmeier (Neuss). Sein Kreis-Vorsitzender, Minister Lutz Lienenkämper (Meerbusch), sagt: „Die Ergebnisse genügen auch im Rhein-Kreis nicht den eigenen Ansprüchen.“ Offenkundig sei es der CDU nicht gelungen, das wichtige Thema Klimaschutz zu besetzen. So sieht es auch Bundestagsabgeordneter Hermann Gröhe (Neuss) mit Blick auf Tagebau und Kraftwerke: Es sei der CDU nicht gelungen, ihre Positon zu verdeutlichen, wie eine moderne Industriepolitik, die Wohlstand sichert, mit Klimaschutz zu vereinbaren sei.“
Wunden lecken bei SPD und CDU, Freibier bei den Grünen
Während CDU und SPD ihre Wunden lenkten, waren die Grünen in Hochstimmung. Im „Hamtorkrug“ gab’s für Parteimitglieder Freibier und Häppchen. Die Partei löste nahezu flächendeckend – Ausnahme Dormagen – die SPD als zweitstärkste Kraft ab. Möglich wurde dieser historische Schritt, weil die Grünen ihr Ergebnis der 2014er-Wahl überall mehr als verdoppelte. Bei der Kommentierung wählte Kreissprecher Christian Gaumitz (Kaarst) leise Töne: „Ein Erfolg, den ich mit Demut annehme. Einfach Klasse. Wir haben die Themen gesetzt. Wir sind die moderne, bürgerliche Partei.“ Forsch formulieren Paretichefin Susanne Benary und Fraktionsvorsitzender Michael Klinkicht in Neuss ihr gutes Abschneiden. Mit ihrer Umwelt-, Verkehrs- und Sozialpolitik habe die Partei in der Koalition mit der CDU die richtigen Akzente gesetzt. Nicht zuletzt mit dem Raum der Kulturen. Benary: „Den gäbe es ohne uns nicht.“ Und mehr als 20 Prozent machen Mut: bezahlbarer Wohnraum und vorsichtiger Gewerbeflächen-Verbrauch seien angesagt. Klinkicht: „Wir nehmen den Wählerauftrag ernst und an.“
Für die FDP sprach Kreisvorsitzender Bijan Djir-Sarai (Grevenbroich) von einem „achtbaren Ergebnis“. Im Vergleich zu 2014 habe sie zugelegt, aber sie wolle noch besser werden: „Bei der Kommunalwahl 2020 sind wir ganz anders aufgestellt und werden ein ganz anderes Ergebnis erzielen.“ Roland Sperling, Fraktionschef der Linken in Neuss, war mit dem Ergebnis „nicht unzufrieden“. Es sei nun einmal so, „dass wir in Neuss und im Rhein-Kreis rund 20 Prozent-Punkte unter dem Bundestrend liegen.“ Die AfD verpasste das von ihrem Kreissprecher Dirk Kranefuß (Neuss) ausgegebene Ziel „10 Prozent plus X“. Entsprechend enttäuscht war er am Sonntagabend: „Das tut weh.“
In einer Erkenntnis waren sich alle Kommunalpolitiker einig: Die Europawahl lassen nur wenige Rückschlüsse auf die Kommunalwahl im nächsten Jahr zu. Tenor: Dann sind Team und Themen näher an den Wählern. „Wir dürfen uns nicht vom negativen Bundestrend anstecken lassen“, sagt Jörg Geerlings, Landtagsabgeordneter aus Neuss, „viel Arbeit liegt vor uns.“