Porträt einer Alleinerziehenden Ärztin, Mutter, allein – und ohne Kita-Platz
Kaarst · Ulrike Schmitz wuppt ihr Leben mit Valentin (2) ohne Hilfe von Partner oder Staat. Nur einen Kindergarten wollte sie ...
Eigentlich macht Ulrike Schmitz alles richtig. Die 40-Jährige ist gut ausgebildet, Oberärztin in der Gynäkologie einer Mönchengladbacher Klinik. Sie verdient gutes Geld und zahlt den Höchstbeitrag für die Kinderbetreuung ihres Sohnes Valentin (2). Obwohl sie alleinerziehend ist. Und zwar komplett: kein Papa, der mal einspringen kann; kein Unterhalt. Selbst auf den staatlichen Unterhaltsvorschuss verzichtet sie. Nur eines hatte sie sich an Unterstützung erhofft: Dass sie jetzt, wo Valentin drei Jahre alt wird und einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz hat, auch einen bekommt. Zum aktuellen Kitajahr, das im August begonnen hat, wurde es aber nichts.
Die gebürtige Neusserin Schmitz hat lange in Hamburg gelebt, zog mit Valentin aber zurück in den Rhein-Kreis und nach Kaarst, um in der Nähe ihrer Mutter – der einzigen familiären Unterstützung – zu sein. Inzwischen fürchtet sie, das könnte ein Fehler gewesen sein. Dabei gefallen ihr die neue Wohnung und der Job. Und ihr kleiner Sohn liebt seine Tagesmutter. Allerdings drängt diese selbst darauf, der Junge müsse nun mal in die Kita. Er ist zwischen den Kleinkindern unterfordert, zudem gibt es bei der Betreuerin weder Garten noch Spielplatzbesuche zum Austoben.
Im Januar wird Valentin drei Jahre alt und hat dann einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Trotzdem hat Ulrike Schmitz in keiner ihrer Wunsch-Kitas Erfolg gehabt. Das verstand sie endgültig nicht mehr, als sie auf dem Spielplatz eine Familie kennen lernte, die im Gegensatz zu ihr in einer dieser Einrichtungen jetzt einen Platz für ihr älteres Kind gefunden haben – es handelte sich um ein verheiratetes Paar, die Frau ist aktuell in Elternzeit und mit dem Baby komplett zu Hause.
Ulrike Schmitz ist die typische Operateurin: rational, unaufgeregt. Wenn sie schildert, wie sie sich nach diesem Erlebnis bei der Stadtverwaltung durchtelefonierte, irgendwann bettelte und weinte, dann kann man sich ihre Verzweiflung ausmalen. Schließlich bekam sie aus dem Bürgermeisterbüro eine E-Mail, in der steht, man sehe keine Veranlassung, alleinerziehende Berufstätige gegenüber arbeitenden Paaren zu bevorteilen. „Das hat mich sehr getroffen“, sagt Schmitz. Ebenso wie der Hinweis bei einem weiteren Telefonat mit der Abteilung Kindertageseinrichtungen beim Jugendamt, viele Alleinerziehende seien ja in Wahrheit gar nicht allein, sondern hätten längst neue Partner. Eine verletzende und unfaire Unterstellung, sagt die 40-Jährige: „Ich bin eine echte Alleinerziehende!“
Auf Nachfrage bestätigt Peter Böttner, Sprecher der Stadt Kaarst, dass dort „keine Unterschiede zwischen Alleinerziehenden und Paaren gemacht“ werden. „Dies ist politischer Konsens und berücksichtigt auch Erfahrungen aus der Vergangenheit, in der andere Vergabekriterien galten“, sagt er. Und er weist darauf hin: „Da die Stadt Kaarst den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu 100 Prozent erfüllt, ergibt sich jedoch weder für Paare noch für Alleinerziehende ein Betreuungsproblem.“
Auch Ulrike Schmitz wurde tatsächlich jetzt, wo mit Valentins drittem Geburtstag der Rechtsanspruch näher rückt, ein Platz in einer Interims-Kita angeboten. Angeblich zum 1. November, allerdings steht der Bau noch nicht einmal – der erste Info-Elternabend findet am 11. September statt. Ohnehin soll es sich um eine Übergangslösung handeln, gedacht wohl für Eltern wie die Ärztin, die bei der Platzvergabe trotz anstehenden Rechtsanspruchs leer ausgingen. Die eigentiche Kita soll sechs Kilometer von Schmitz’ Wohnung entfernt entstehen. Auch über die geplanten Öffnungszeiten beider Einrichtungen weiß sie noch nichts.
Für die Oberärztin sind diese Details allerdings entscheidend. Denn sie muss um 7.45 Uhr zur OP-Besprechung in Mönchengladbach sein. Ein Kindergarten, der kilometerweit entfernt liegt und vielleicht erst um 7.30 Uhr öffnet, hilft der Gynäkologin wenig. Das Problem: Wenn sie den angebotenen Platz ausschlägt – und sei es mit guten Gründen –, verwirkt sie ihren Rechtsanspruch. „Wahrscheinlich werde ich meine Arbeitszeit verkürzen und mich beruflich schlechter stellen müssen“, fürchtet Schmitz. „Ich glaube, mir wird nichts anderes übrig bleiben.“
Oder aber sie zieht um. In Wuppertal etwa, haben alleinerziehende Berufstätige nicht nur Priorität. Das Jugendamt, so Stadtsprecherin Martina Eckermann, hilft auch im Einzelfall bei der Suche nach einem Betreuungsplatz, der im Hinblick auf Entfernung, Verkehrsanbindung und Öffnungszeiten passt. „Sonst nützt es den betroffenen Eltern ja nichts“, lautet ihre einfache Erklärung für das Hilfsangebot.
Das würde sich auch Ulrike Schmitz in ihrer Wahlheimat wünschen. Immerhin, sagt sie, erwarte sie nicht viel. Sie verdiene gut und zahle eine Menge Steuern, zusätzlich den Höchstbeitrag für Valentins Betreuung. Sie nimmt keinerlei finanzielle Unterstützung in Anspruch. Alles richtig eben. Aber: „Irgendwo wäre es doch schön, wenn man mal eine Hand bekäme“, sagt sie kleinlaut.