Landespolitik AfD überschwemmt die NRW-Staatskanzlei mit Anfragen

DÜSSELDORF · Normale Regierungskontrolle oder taktisches Konzept? Die Partei liefert eine Anfrage an die schwarz-grüne Regierung nach der anderen ab. Und sagt: das geht so weiter.

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Die jüngsten „Kleinen Anfragen“-Titel der AfD geben einen Eindruck: „Finanzierung der NRW-Nachhaltigkeitstagungen: Fragen zu Teilnehmern, Resultaten und Kosten“. Oder: „Politisch motivierte Kriminalität Links in NRW im ersten Halbjahr 2023“. Dazu: „Läuft es bald nicht mehr wie geschnitten Brot? – Drangsalieren die Eichämter in NRW das Bäckerhandwerk?“ Meistens sind es jeweils vier bis sechs Fragen, die an die Staatskanzlei in Düsseldorf gehen. Man könnte das für einen normalen demokratischen Vorgang halten. Allerdings haben die „Kleinen Anfragen“ als Mittel der Parlamentarier zur Kontrolle der Regierung in dieser Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen  in extremem Ausmaß zugenommen – und das liegt an der AfD.

Ein Vergleich zeigt das eindrucksvoll auf: Nach einer Erhebung der Staatskanzlei gab es in der vorangegangenen Legislaturperiode zwischen dem 1. Juni 2017 und dem 14. September 2018 insgesamt 1377 Kleine Anfragen. 352 davon wurden von der AfD-Fraktion gestellt. In vergleichbarem Zeitraum zwischen dem 1. Juni 2022 – also dem Start der schwarz-grünen Landesregierung – und dem 14. September 2023 hat sich die Anzahl der Kleinen Anfragen auf insgesamt 2314 erhöht. Markant: 1376 Anfragen hiervon wurden von der AfD-Fraktion gestellt. Das sind 59,5 Prozent aller Anfragen und eine Vervierfachung der eigenen Fragelust der vergangenen Legislatur. Runtergebrochen gehen ungefähr drei Anfragen täglich im Schnitt von der AfD ein.

Manch einer vermutet dahinter Konzept: Denn mit der demokratisch vorgeschriebenen zeitnahen Beantwortung der Fragen sind ganze Apparate beschäftigt, die die Belastungsgrenze längst erreicht haben. Der Chef der Staatskanzlei, Europaminister Nathanael Liminski (CDU) sagt gegenüber dieser Zeitung dazu: „Kleine Anfragen stellen ein wichtiges Instrument der Parlamentarier zur Kontrolle der Landesregierung dar. Als Chef der Staatskanzlei lege ich deshalb großen Wert auf Fristentreue und Vollständigkeit. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der nie dagewesenen Anfragen-Flut in dieser Legislaturperiode.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ministerien, Bezirksregierungen, nachgeordneten Behörden und Kommunalverwaltungen leisteten, so Liminski, mitunter „enorme Mehrarbeit, um eine ordentliche Beantwortung binnen der gegebenen vier Wochen Frist zu ermöglichen.“

Logisch, dass manch Wichtiges liegen bleiben wird müssen, um den Mehraufwand zu leisten. Die AfD hat derweil nicht vor, die Anfragenwut zu reduzieren, wie der Fraktionsvorsitzende Martin Vincentz sagt. Seine Fraktion nehme ihre Aufgabe als Oppositionspartei sehr ernst – und die schwarz-grüne Regierung agiere „in vielen Bereichen intransparent“. Daher seien Anfragen nötig. Vincentz sagt, man werde „das Handeln der Landesregierung weiter hinterfragen, Missstände aufdecken und Versäumnisse öffentlich machen“. Und: „Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Anzahl der gestellten ‚Kleinen Anfragen‘ unserer Fraktion signifikant geringer wird.“