Blindgänger in NRW Alle raus hier – wenn Anwohner Bombenentschärfungen verzögern

Köln/Düsseldorf · Nachbarn, die bei der Evakuierung nicht mitmachen wollten, sorgten jüngst in Düsseldorf für lange Wartezeit auf die Entschärfung. Die nächste steht wohl in Köln an. Manche Städte in NRW reagieren mit Bußgeldern auf renitente Anwohner.

Zwei Frauen vor der Sammelstelle während der jüngsten Bombenentschärfung in Düsseldorf. Nicht alle Anwohner verließen den Gefahrbereich freiwillig.

Foto: dpa/David Young

In der Nacht zum vergangenen Samstag haben renitente Anwohner die Entschärfung einer Zehn-Zentner-Weltkriegsbombe in Düsseldorf stundenlang verzögert. Sie weigerten sich, der Aufforderung von Stadt und Sicherheitskräften Folge zu leisten und den Gefahrbereich zu verlassen. Ein personalintensiver Stresstest. Und jetzt könnte schon der nächste Super-Einsatz für eine Bombe anstehen: In Köln droht am Sonntag, 26. Januar, die Sperrung der A 3 sowie die Evakuierung einer Klinik (siehe Infokasten „Bombenverdacht in Köln“).

Und auch dann droht den Ordnungsbehörden sowie den Anwohnern, die brav in Sammelstellen auf die Entwarnung warten, Ungemach. Nahezu täglich muss statistisch gesehen eine größere Weltkriegsbombe in Nordrhein-Westfalen entschärft werden – und immer wieder kommt es dabei zu Verzögerungen durch renitente Anwohner. „Entweder weigern sich Menschen, ihre Wohnungen zu verlassen, oder es kommen Leute von außen und wollen in den abgesperrten Bereich zu ihrem Haus“, schildert Heribert Büth, Sprecher des Kölner Ordnungsamtes. „Manche werden sogar richtig aggressiv.“ Köln und einige andere Städte gehen deshalb mit Bußgeldern gegen solche Störer vor.

Manche Anwohner sagen einfach: „Nein, ich bleibe hier“

Bei mehr als der Hälfte der rund 20 Evakuierungen wegen Bombenentschärfungen sei es 2019 zu Problemen gekommen, sagt Büth. „Wir stellen da in Köln in den vergangenen Jahren eine zunehmende Renitenz fest. Wir stehen ratlos davor.“ Vor der Entschärfung machen Ordnungsamts-Mitarbeiter sogenannte Klingelrundgänge, bei denen sie Menschen zum Verlassen ihrer Wohnungen auffordern. „Aber die antworten dann oft einfach: ,Nein, ich bleibe hier.’“ Manche gäben auch Gründe an, etwa dass sie Besuch bekämen oder das Baby gerade eingeschlafen sei. Nicht selten würden die Mitarbeiter auch beschimpft. Anfang September war in Köln ein Polizist nach damaligen Angaben der Beamten sogar tätlich angegriffen worden.

„Aber wir müssen dafür sorgen, dass niemandem etwas passiert“, betont Büth. Notfalls werden mit Unterstützung der Polizei Türen aufgebrochen und Bewohner gegen ihren Willen herausgeholt. Verweigerer müssen in Köln in der Regel ein Bußgeld von bis zu 300 Euro zahlen. „Das tut denen zwar weh, steht aber in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden“, meint Büth. Denn bei einer Entschärfung seien in Köln fast immer mehrere tausend Menschen von der Evakuierung betroffen, die dann alle länger als geplant nicht zurück nach Hause dürften.

Einheitliche Regeln für den Umgang mit Verweigerern gibt es in NRW nicht. „Die Ordnungsbehörden können die Räumung des Gefahrenbereichs erzwingen“, erläutert eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Wenn nötig, kann die Person vorübergehend in Gewahrsam genommen werden. Ob und in welcher Höhe Ordnungsgelder verhängt werden, entscheide aber jede Kommune für sich.

Essen bestraft Evakuierungs-Verweigerer mit 200 Euro – jedoch sei dies bislang erst selten nötig gewesen, sagt ein Sprecher. Das Ordnungsgeld diene „als letztes Mittel“. Die Stadt versuche, die Bevölkerung mit Informationsflyern über das Thema Bombenentschärfung aufzuklären.

In Düsseldorf gab es keine Anzeigen, sondern Gespräche

Auch Duisburg will künftig härter gegen Verweigerer vorgehen. Dort kommt es nach Angaben der Stadt „regelmäßig zu zeitlichen Verzögerungen“ durch Verweigerer, gegen die dann Platzverweise ausgesprochen würden. Im April hatte die Stadt Strafanzeige gegen einen besonders widerspenstigen Anwohner erstattet. „Eine solche Widerstandshandlung kann nicht hingenommen werden, da gibt es null Toleranz“, sagte Oberbürgermeister Sören Link damals. Doch die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Mann ein. Nun will die Stadt Duisburg ihre Sicherheitsverordnung um einen Passus ergänzen, der den Aufenthalt im Evakuierungsbereich verbietet. Eine Missachtung gilt dann demnächst als Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet wird.

Auch in Düsseldorf hätten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Möglichkeit, Türen im Zweifelsfall gewaltsam zu öffnen und Störer in Gewahrsam zu nehmen. Doch trotz der erheblichen Verzögerung bei der Entschärfung am Wochenende gibt es keine Bußgelder. Die eingesetzten Kräfte, so ein Sprecher der Stadtverwaltung, hätten mehr als genug mit der Durchführung der Evakuierung zu tun gehabt. „Die Aufnahme von Personalien der Verweigerer hätte hier die Lage weiter eskalieren lassen und obendrein die Entschärfung nicht beschleunigt – sondern im Zweifel sogar noch weiter verzögert“, erklärt er.

Zudem sei auch nicht klar, ob hinter der Weigerung, den Gefahrenbereich zu verlassen, eine böse Absicht stehe. Probleme bereite die Weisung der Bezirksregierung vor einigen Jahren, Bomben jetzt immer am Tag der Entdeckung zu entschärfen – weil man davon ausgehe, dass sie nach immer längerer Zeit im Boden immer gefährlicher würden. Zuvor habe man die Evakuierungen mit Vorlauf einiger Tage planen und ankündigen sowie komfortabler in die Mittagszeit legen können. Bei einer Spontanaktion am späten Abend – zumal freitags – sei es schwieriger, die Menschen zu erreichen und für eine Räumung zu begeistern. Zudem schlage den Ordnungskräften zunehmend Misstrauen wegen Warnungen vor Trickbetrügern entgegen, die sich als Polizisten ausgeben. In der Landeshauptstadt führten am Wochenende letztlich intensive Gespräche zur erfolgreichen Räumung – wenn auch später als geplant. mit dpa