Auf diese Berufe kommt es in der Corona-Krise an „Wir unternehmen alles Menschenmögliche“
Burscheid · Birgit Großmann arbeitet in der Pflege des Evanglischen Altenzentrums in Burscheid. Dessen Bewohner vor der Infektionsgefahr zu schützen, ist jetzt ihr größtes Anliegen.
An der Schiebetür des Haupteingangs zum Evangelischen Altenzentrum Auf der Schützeneich im bergischen Burscheid prangt ein großes Stoppschild. Besuche für die 109 Bewohner sind seit dieser Woche verboten. Und wer das Haus trotzdem betritt, darf das nur, nachdem er sich zuvor am Eingang die Hände desinfiziert hat.
Auf Birgit Großmann kommt es jetzt an. Auf sie und ihre rund 85 Kolleginnen und Kollegen in der Pflege. Und überhaupt auf alle 140 Mitarbeiter des Hauses in Trägerschaft der Rheinischen Gesellschaft für Innere Mission und Hilfswerk. „Unsere Bewohner sind sehr sensibel und feinfühlig. Die kriegen sehr wohl mit, dass gerade überhaupt nichts stimmt da draußen“, sagt Großmann.
Und zumindest ein Teil von ihnen begreift auch, dass sie als alte und oft auch pflegebedürftige Menschen zu den Risikogruppen einer Infektion mit dem Coronavirus zählen. Also gilt für die Pflegekräfte noch mehr als sonst schon: eine Engelsgeduld haben, die Ruhe bewahren, Zuversicht ausstrahlen und erklären, was die Bewohner in den Nachrichten gerade nicht verstanden haben. Und nicht nur die Pflegekräfte sind gefordert: „Wir ziehen hier alle an einem Strang“, sagt Großmann, „die Pflege, die Alltagsbegleitung, selbst die Reinigungskräfte. Die gehen schließlich auch durch die Zimmer.“
Die Altenpflegehelferin ist vor wenigen Tagen 60 geworden. Gelernt hat die gebürtige Wuppertalerin ursprünglich mal etwas ganz anderes und später „alles und jedes gemacht“. Bis sie in der Finanzkrise das erste Mal in ihrem Leben arbeitslos wurde. „Mit 52 habe ich mich dann entschieden, mein Leben noch einmal komplett umzukrempeln und das zu machen, was ich immer schon wollte: Altenpflege.“
Ihre Berufswahl vor acht Jahren hat sie noch keinen Tag bereut
Für die zweifache Mutter steht fest: „Alte Leute können mir noch so viel geben. Hinter jedem Menschen steht eine große Geschichte.“ Ihre Berufswahl, sagt sie, habe sie noch keinen Tag bereut. Ihr und ihren Kollegen geht es jetzt darum, den Bewohnern zu vermitteln: „Wir schützen euch und passen auf euch auf.“
Dass die Epidemie auch beim Fachpersonal im Altenzentrum ein mulmiges Gefühl hinterlässt, „davon kann sich hier niemand freisprechen. Aber ich habe keine Angst.“ Das Team hält Abstand, Teambesprechungen sind gestrichen, auch die Übergabe zwischen Früh- und Spätschicht erfolgt nur noch zu zweit. Geräte, Handläufe - alles wird engmaschig desinfiziert. „Wir unternehmen alles Menschenmögliche und das ist auch gut so.“ Aber Abstand zu den Bewohnern, das geht dann doch nicht: „Wie sollen wir beim Waschen Abstand halten?“
Großmann sagt, sie habe kein Problem damit, gerade jetzt weiter arbeiten zu gehen. „Wir können ja nicht sagen, hier ist der Kühlschrank, wir bleiben dann mal zu Hause.“ Die Bewohner sind ihre Schutzbefohlenen, so sieht sie das. „Mit so etwas wie im Augenblick hat natürlich niemand gerechnet, aber in unserem Beruf kann es immer mal ansteckende Krankheiten geben. Trotzdem muss ich weiter für die Bewohner da sein.“
So wie diese auch für sie: „Die merken sofort, wenn jemand vom Pflegepersonal mal nicht so gut drauf ist. Dann fragen sie sofort: Was ist los? Unsere Bewohner beschäftigen sich auch mit uns.“ Und der Pflegekraft erscheinen sie dabei manchmal wie ein Zeitfenster in die Vergangenheit. Bei den Erzählungen wird ihr wieder bewusst: „Wie haben die leiden müssen damals. Es geht uns heute hier richtig gut. Wir vergessen das nur immer.“
Gleich muss Birgit Großmann zurück zu ihrem Wohnbereich Schützeneich, wo sie von Beginn an arbeitet. 41 alte Frauen und Männer leben dort und warten auf ihr Mittagessen. Der große Speisesaal im Erdgeschoss ist bis auf Weiteres geschlossen. Doch einen Wunsch hat die 60-Jährige noch, bevor sie geht: „Ich hoffe, dass wir alle gesund da durchkommen und unsere Bewohner gut beschützen können.“