Kino Anarchische Beuteltier-Weisheiten

Immer die Klappe aufreißen – das Känguru ist nicht zu stoppen. Sehr zum Leidwesen seines Freundes Marc-Uwe. Jetzt reißt es seine frechen Sprüche im Kino, im Film „Die Känguru-Chroniken“.

Eine besondere Wohngemeinschaft mit einem ziemlich ungewöhnlichen Beuteltier hat es auf die Kinoleinwand geschafft: Dimitrij Schaad (l) als Marc-Uwe und das Känguru.

Foto: dpa/-

Eigentlich sollte jeder so ein Känguru haben - eines, das das eigene Leben ebenso kommentiert wie das Weltgeschehen. Marc-Uwe Kling kennt sich damit aus. Seit mehr als zehn Jahren ist das kommunistische, vorlaute Känguru mit Hang zur Anarchie sein steter Begleiter. Die vier Bücher, die er darüber geschrieben hat, genießen Kultstatus. Nun sind „Die Känguru-Chroniken“ im Kino zu sehen, als kurzweiliges Werk mit Rosalie Thomass, Henry Hübchen und natürlich dem Känguru höchstpersönlich.

Zur Beruhigung für alle Fans, die das Känguru aus dem Radio, von Lesungen und Hörspielen im Ohr haben: Die Stimme des Beuteltiers ist die selbe. Auch sonst ist vieles vertraut. Die Sucht des frechen Kängurus nach Schnapspralinen und die Selbstverständlichkeit, mit der es sich über Wünsche und Gefühle der Menschen nonchalant hinwegsetzt.

Das wird in dem Film von Regisseur Dani Levy schon gleich zu Beginn klar: Der Kleinkünstler Marc-Uwe, gespielt von Dimitrij Schaad, liegt mit Migräne im Bett, als es an der Tür klingelt. Ein Känguru steht vor der Tür, weil es Pfannkuchen backen will und ein paar Zutaten dafür braucht. Am Ende bleibt es nicht bei Pfanne und Mehl. Das Tier zieht bei ihm ein, muss es doch untertauchen, weil es als anarchistischer Hausbesetzer von der Polizei gesucht wird.

Das Känguru mischt
die Nachbarschaft auf

Aber weil das Känguru nicht die Klappe halten kann und sich überall einmischt, geht es bald rund. Das bekommen auch Marc-Uwes Nachbarn zu spüren, die alleinerziehende Mutter Maria (Thomass), Kneipenwirtin Herta (Carmen-Maja Antoni) sowie die Späti-Betreiber Otto von (Tim Seyfi) und Friedrich-Wilhelm (Adnan Maral). Ärger bekommen sie nicht nur mit schlagenden Rechtsextremen, sondern auch mit dem mächtigen Immobilienunternehmer Dwigs (Henry Hübchen), der mitten in Berlin-Kreuzberg eine Häuserreihe platt machen will.

Kling selbst hat das Drehbuch geschrieben und dafür die vielen kurzen Episoden seines ersten Buches zu einer Geschichte zusammengefügt, die gespickt ist mit Zitaten aus Filmen, allen voran mit Bud Spencer und Terence Hill. Eine nicht ganz leichte Aufgabe, die Kling aber gut gemeistert hat. Die Handlung ist zwar nicht sonderlich überraschend, doch der Wortwitz macht das wieder wett. Wenig subtil die Bezüge auf aktuelle Geschehnisse - der Immobilienhai Dwigs ist natürlich eine Parodie von Trump, der sich mit seinem Riesenturm ein Denkmal setzen und gleichzeitig seine rechtspopulistisch gesinnten Anhänger um sich scharen will. Gleichzeitig ist er Chef der Partei Alternative zur Demokratie, abgekürzt AzD und auch hier muss man nicht lange raten, wer hier als reales Vorbild diente.

Und wie kommt das Känguru auf die Leinwand? Es hat sich natürlich höchstpersönlich gespielt, heißt es in der offiziellen Ankündigung. Denn eins steht nicht nur für Marc-Uwe Kling, sondern auch für manche seiner Fans fest: Das Känguru ist kein Hirngespinst, kein zweites Ich, es ist real. Wer nicht so recht daran glauben mag, für den sei diese Erklärung: Hinter dem Beuteltier steckt der Stuntman Volker Zack. Bei den Dreharbeiten wurden seine Bewegungen per Computer erfasst und auf ein animiertes Känguru-Modell übertragen.

Doch egal, das Känguru ist das Känguru, selbstbewusst und gnadenlos ehrlich, so wie Kinder. Ohne Rücksicht posaunt es seine Ansichten in die Welt hinaus. „Vielleicht ist das Känguru die unausgelebte Persönlichkeit des braven Bürgers, der sich bestimmte Dinge nicht traut“, vermutet Regisseur Dani Levy. Zu sagen, was man denkt. Zu tun, was man gerne täte. Und wenn man kein Känguru um sich hat? Dann vielleicht ein zweites Ego, meint Levy, „das einen manchmal schubst und sagt "Mach doch, sei nicht so feige". Aber haben wir diese Stimmen nicht eh in uns?“.