NRW Bewährungsstrafe für Amateurboxer
Düsseldorf · (wuk) Mit zwei Jahren Bewährungsstrafe hat das Landgericht am Dienstag einen 20-jährigen Amateur-Boxer belegt und ihn direkt nach dem Urteil aus der U-Haft in die Freiheit entlassen. Der Angeklagte aus Hagen hatte sich wegen zwei Gewaltdelikten an der Freitreppe in der Altstadt zu verantworten.
Im Herbst 2020 hatte er – jeweils alkoholisiert – zunächst einen 19-jährigen Altstadtbesucher mit einem Faustschlag ins Gesicht einen Knochenbruch zugefügt, Wochen später hatte er bei einer ähnlichen Situation einen anderen, ebenfalls 19-Jährigen mit einem Messerstich in den Unterbauch lebensgefährlich verletzt. Der Staatsanwalt hatte diese Tat als versuchten Totschlag gewertet – und eine Jugendstrafe von fast vier Jahren Haft beantragt.
Auf Notwehr hatte sich der Angeklagte mit seinen Anwälten im Prozess berufen, denn er sei vor dem fast tödlichen Messerstich von Kumpanen des Kontrahenten plötzlich umringt gewesen: „Ich hatte Angst, dass die auf mich draufgehen!“ Und als er trotz seiner Boxkampf-Erfahrung (neun Siege aus zehn Kämpfen) den 19-Jährigen nicht per Faustschlag niederstrecken konnte, habe er das Messer gezückt – „und dann hab’ ich gestochen“, hatte er vor Gericht erklärt. Zeitweise suspendiert vom Boxsport wegen Unfairness, habe er damals bis zu einer Flasche Wodka täglich getrunken – und sei bei zwei Sauftouren von Hagen in die Düsseldorfer Altstadt mit einem Kumpel dann dort an der Freitreppe mit anderen Besuchern aneinander geraten. Der 19-Jährige im zweiten Fall erlitt durch den Messerstich eine Verletzung am Darm, an der er ohne notärztliche Hilfe wohl gestorben wäre.
Doch außer dem Angeklagten gingen nach mehrtätiger Verhandlung und der Vernehmung etlicher Zeugen nur noch seine Anwälte von einer Notwehr aus. Der Staatsanwalt sah im Gegenteil seine ursprüngliche Anklage bestätigt, forderte wegen versuchten Totschlags wegen des Messerstichs und wegen gefährlicher Körperverletzung bei dem Boxhieb eine Jugendstrafe von insgesamt drei Jahren und zehn Monaten. Die Verteidiger hielten nur den Boxhieb samt Knochenbrüchen im Gesicht für strafwürdig und beantragten eine Gesamtstrafe von „maximal einen Jahr Jugendstrafe auf Bewährung“.
Im Urteil gingen aber auch die Richter nicht von Notwehr aus, haben die Attacken des Angeklagten jedoch deutlich milder bewertet: Für den Messerstich sprachen sie den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig, den Boxhieb gegen einen anderen 19-jährigen Altstadtbesucher werteten sie lediglich als einfache Körperverletzung. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig.