Lesung im „Open Space“ Abend über „Wahrheiten der Welt“

Düsseldorf · Im „Open Space“ des K20 geht es um die Zukunft der von Menschen gestalteten Erde.

Schriftstellerin Yoko Tawada verarbeitet in „Sendbo-o-te“ die Katastrophe von Fukushima.

Foto: Heike Steiweg

Was machen die Japaner, wenn sie Opfer eines großen Unglücks werden? Sie lassen sich von „Sorrymen“ in feinen Anzügen trösten, die der Staat an allen Ecken bereitstellt. In Fukushima funktionierte das aber nicht, weil Die Strahlenbelastung alle Menschen vertrieb. Im Privaten sicherten sich die Bürger schließlich ihr Überleben. Mit der Hervorhebung des Nebensächlichen beschrieb die Schriftstellerin Yoko Tawada ihre Verarbeitung einer nationalen Katastrophe.

Ausschnitte aus Tawadas Roman „Sendbo-o-te“ waren Teil einer Lesung im „Open Space“ der Kunstsammlung am Grabbeplatz. Bis zum Beginn der Pandemie hatte Maria Müller-Schareck in dem hübschen, aber kleinen Lokal Lieshout auf der obersten Etage des Museums ihr Programm „Auslese – Bücher für die Sammlung“ betreut. Angesichts veränderter Bedingungen lud sie nun in das weiträumige „Open Space“ zu einem Abend über „Wahrheiten der Welt“.

 Im Anthropozän, dem neuen Erdzeitalter, hört man neben den vielen düsteren Aussichten auch überraschende Stimmen von Hoffnung und einer überlebensstarken Natur. Der Amerikaner Bernie Krause spannte in „Das große Orchester der Tiere“ einen Bogen von 16 000 Jahren. Aus einer noch intakten Vorzeit glaubt er den Nachhall der Laute vieler Tausend verschiedener Tiere zu spüren: Krause bejubelt auch eine schier endlose Liste lautmalerischer Begriffe, die mit dem späteren Aussterben der Tierart ihre sprachliche Daseinsberechtigung verloren.

Von Krause stammen auch Tonaufnahmen aus Tschernobyl, entstanden nur wenige Jahre nach dem Unglück und dem Verschwinden der menschlichen Bewohner. Bei der Lesung eingespielt, imaginiert die Lautvielfalt ein neu entstandenes Naturidyll. Unter den neun Texten, die von den Schauspielern Mercy Dorcas Otieno (Bochum) und Jean Paul Baeck (Köln) gelesen wurden, war auch ein Auszug aus einer Kurzgeschichte von E. M. Forster. Der Autor von „Zimmer mit Aussicht“ entwirft in „Die Maschine steht still“ nur ein Jahr nach seiner berühmten Liebesgeschichte eine Dystopie. Die Handlung spielt in einer Welt, in der die Menschheit unterirdisch lebt und auf eine gigantische Maschine zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse angewiesen ist.

Noch bis Mitte Februar wird es im „Open Space“ der Kunstsammlung weitere Veranstaltungen zur Zukunft der Menschen im Anthropozän geben.