Erinnerungen Als Plätzchen und Kerzen noch der Glanz zur Weihnacht waren

Burscheid. · Otto Claas ist kürzlich 99 Jahre alt geworden und er hat damit eine wahre Flut an Erinnerungen an vergangene Advents- und Weihnachtszeiten.

Die winterliche Hauptstraße in den Zeiten des beginnenden Wirtschaftswunders.

Foto: wz/sarx

Gern denkt Otto Claas an so manche Begebenheit aus seinem Leben zurück. Mit 99 Jahren sind seine Erinnerungen ein reicher Fundus an Geschichten. Mit materiellem Reichtum hat das allerdings gar nichts zu tun. Als die Plauderei auf das Thema Weihnachten kommt, erinnert er sich vor allem an eines: an die schlechte Zeit und die daher eher bescheidenen Feste in seiner Kindheit.

„Ich bin ja unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg geboren, und das waren ganz bittere, arme Jahre. Es gab nichts zu essen, zu heizen und es herrschte auch in Burscheid Arbeitslosigkeit. Groß gefeiert werden konnte da nicht. In meiner Erinnerung blieb das auch so bis etwa 1933“, berichtet der rüstige Unruheständler, der noch heute jeden Tag in den Betrieb geht und seine Dienste erledigt.

Tamtam und Trubel um das Weihnachtsfest gab es nicht

„Heute wird ja vielmehr Tamtam und Trubel rund um das Weihnachtsfest veranstaltet; das war damals natürlich ganz anders. Es gab zum Beispiel keine extra bunten Papp- oder gar Plastikteller für die Naschereien. Äpfel, Nüsse und Plätzchen lagen auf einem einfachen Ess- oder Suppenteller, vielleicht mit einer Serviette verziert. Aber selbst das bedeutete für uns Kinder etwas ganz Besonderes – Weihnachten eben. Dabei mussten wir in unserer Familie ja nicht soviel entbehren, da meine Mutter ab 1921 ein Lebensmittelgeschäft in der Mittelstraße führte. Butter sowie Eier und sonstige Backwaren standen in ausreichenden Mengen zur Verfügung. In der Advents- und Weihnachtszeit roch es in der Wohnung fast ständig nach verführerischem Weihnachtsgebäck, denn meine Mutter war eine fleißige Plätzchenbäckerin. Ich kann mich an so manche Festtage erinnern, da aßen wir so viele Plätzchen, dass das eigentliche Essen verschoben wurde“, so  berichtet Otto Claas lebhaft über jene Zeit. „Zur eigentlichen Weihnachtsfeier gingen wir am 1. Weihnachtstag zu meiner Großmutter in die Luisenstraße. Das war dann ein schönes Familienfest, bei dem man auch andere Verwandte und Bekannte traf. Der 2. Weihnachtstag fand dann beiTante Toni Kemper statt.“

An ein schreckliches Geschenk erinnert sich Otto Claas

Auf die Frage nach einem Geschenk, das aus der Kinderzeit noch bis heute in Erinnerung geblieben ist, folgt die prompte Antwort: „Ja, an ein besonders schreckliches Geschenk. Man bekam als Kind ja auch immer etwas Nützliches beschert, meistens ein Kleidungsstück. Es muss so in der Zeit gewesen sein, als ich etwa sechs oder sieben Jahre alt war. Da überreichten mir meine Eltern stolz einen Bleyle-Anzug, den sie bei Brüning gekauft hatten. Natürlich sollte ich sofort den Anzug ausprobieren. Der kratzte aber so fürchterlich, dass ich ihn sofort wieder auszog. Außerdem habe ich vor Entsetzen laut geschrien. Den Anzug musste ich nie wieder tragen.“

Außer den nützlichen Sachen gab es natürlich auch Dinge zum Spielen. „Meine Eltern haben es immer wieder geschafft, durch Tauschen oder sonstwie, kleines Spielzeug zu organisieren. Natürlich konnten damals nur kleine, bescheidene Kinderwünsche erfüllt werden. Es gab ein Geschenk, mit dem aber auch dann die ganze Zeit intensiv gespielt wurde. Es wurden viele Weihnachtslieder gesungen und der festlich geschmückte Weihnachtsbaum – natürlich mit echten Kerzen – brachte Glanz in jede Stube.“

Nach 1933 ging es allmählich bergauf. Die Arbeitslosigkeit verschwand und die Leute hatten zunehmend  mehr Geld in der Tasche.

„Während des Zweiten Weltkrieges leistete ich meinen Dienst als Soldat bei der Marine, auf Schnellbooten. Wenn wir Weihnachten auf See verbrachten, war eine große Feier natürlich nicht möglich. Über Funk hörten wir Weihnachtslieder und dann bekamen wir kleine Tüten mit Geschenken überreicht. Lag unser Boot aber über die Festtage zur Reparatur in der Werft, bekam die Mannschaft Heimaturlaub, die eine Hälfte über Weihnachten, die andere zu Silvester“, schildert Otto Claas aus der Kriegszeit.

Nach dem Krieg begannen
erneut arme Zeiten

„Nach der Kriegsgefangenschaft kehrte ich im August 1945 wieder nach Burscheid zurück. Man hatte überlebt, das war das Wichtigste. Aber nach dem verlorenen Krieg begannen nun bittere Zeiten. Viele hungerten, es gab wieder nichts zu essen oder zu heizen.“

Entsprechend ärmlich gestalteten sich nun wieder die Feste und Feiertage, erklärt der rüstige Senior: „Meine Frau und ich waren damals jung verheiratet, aber große Wünsche konnten wir uns nicht erfüllen. Wenn ein Geschenk überhaupt realisiert werden sollte, dann nur durch Tausch oder Arbeit, für die man in ,Naturalien’ entlohnt wurde. Da konnten wir zum Beispiel – da wir eine Werkstatt hatten – die eine oder andere Reparatur durchführen, die dann mit Gegenleistungen oder begehrten Waren ,bezahlt’ wurde.“

Geschenke und „Fresswelle“
mit dem Wirtschaftswunder

So blieb es etwa bis Mitte/Ende der 1960er Jahre. Dann sorgte das Wirtschaftswunder für einen ungeahnten Aufschwung, so Otto Claas weiter. „Das merkte man schon: Die Geschenke wurden zahlreicher, immer größer und teurer. Und die Fresswelle beherrschte auch das Fest und die Feiertage. Die Speisen wurden immer umfangreicher und schwerer. Kaum hatte man eine Mahlzeit beendet, da wurde auch schon die nächste aufgetragen.“

Früher war Weihnachten und Advent wirklich auf die Zeit zwischen Ende November und Dezember beschränkt. Jetzt gibt es vielmehr Werbung und Spekulatius ab September. Überhaupt ist alles bunter und viel lauter als in Otto Claas‘ Kindheit, lautet das Fazit des Urburscheiders.

Heute begeht Otto Claas die Festtage familiär: Er fährt mit seiner Partnerin zu deren Familie, um Weihnachten ruhig und als Familienfest zu feiern.