Blütenpollen: Die nervige Seite des Frühlings
Blütenpollen liegen in der Luft: Was Autofahrern zurzeit die Scheiben verklebt, ist für Allergiker halb so schlimm.
Burscheid. „Wasch mich“ — das ist der klassische Hinweis, den Witzbolde verdreckten Autos mit dem Finger auf die Frontscheibe schreiben. Liebhabern von blitzblankem Lack dürfte in den vergangenen Tagen das Lachen über solche neckischen Hinweise vergangen sein, denn vor dem gelben Film aus Pollen ist zurzeit kein Fahrzeug sicher, das sich auch nur einen Meter aus der Garage bewegt.
Der Blütenstaub ist in diesem Jahr in seiner Masse extrem, diesen Eindruck hat auch Oliver Zirmes, Mitarbeiter der Shell-Tankstelle an der Höhestraße. Im Moment kommen besonders viele Autofahrer zur Waschstraße und wollen nur eins: das klebrige Gelb loswerden.
Auch vor der Anlage auf der anderen Straßenseite stehen einige Wagen, die so aussehen, als häten sie gerade an einer Wüstenrallye teilgenommen. Mitarbeiter Georgius Dimitrakoudis spritzt im Akkord den Blütenstaub von den Autos.
Er schildert: „Es gibt Leute, die kommen jetzt zwei- bis dreimal die Woche zu uns.“ Das Waschen des Autos — in diesen Tagen eine Sisyphusarbeit. Dimitrakoudis muss lächeln: „Für uns gut, für die Autofahrer schlecht.“
Doch nicht jeder macht das Spielchen mit. Mehmet Karadag ist gerade auf das Gelände der Waschstraße gefahren. Er sagt: „Ich komme jeden Tag über die Autobahn zur Arbeit. Da müsste ich eigentlich jetzt wöchentlich waschen.“ Doch dafür reiche seine Zeit nicht.
Ein paar Schritte weiter hat Rainer Ungruhe gerade seinen Wagen mit Wasser abgespritzt. Er ist ebenfalls kein Fan von übertriebener Fahrzeugpflege: „Für mich ist der Wagen ein Gebrauchsgegenstand.“ Die gründliche Reinigung sei dieses Mal nur eine Ausnahme.
Nach der Autowäsche gönnen sich viele erst einmal eine Erfrischung im Biergarten. Doch da ist er dann wieder: der gelbe Film. Auch die Gastronomen nervt er gewaltig. Kerstin Weilbächer, Inhaberin des Alten Landhauses, hat alle Hände voll zu tun: „Sobald ein neuer Kunde kommt, müssen wir die Tische wieder abwischen.“
Warum es mit den Pollen in diesem Frühjahr so dicke kommt, weiß Frank Gerber von der Nabu-Naturschutzstation Rhein-Berg: „Es blüht derzeit ungewöhnlich vieles gleichzeitig.“
Für den gelben Staub seien hauptsächlich Eichen-, Buchen- und Platanenpollen sowie vereinzelt Rapsblüten verantwortlich, ergänzt der Leverkusener Allergologe Dr. Norbert Mülleneisen. Er behandelt in seiner Praxis wie in jedem Frühjahr Menschen mit laufenden Nasen und roten Augen.
Von einem Ausnahmezustand im Wartezimmer könne jedoch nicht die Rede sein. Mülleneisen erklärt: „Die Pollen, die wir im Moment sehen, sind zu groß, um sie einzuatmen.“ Kritischer seien für Allergiker zum Beispiel die mit bloßem Auge kaum erkennbaren Birkenpollen — und von diesen schwirren derzeit nicht übermäßig viele durch die Luft.
Anfang Mai soll der Spuk ein Ende haben, so Mülleneisen. Für Allergiker jedoch kein Grund aufzuatmen, denn bald schon sorgen die Gräser für verschnupfte Nasen. Wenigstens die Autofahrer werden aber wieder den nötigen Durchblick haben.