Bücherei: „Wer DVDs ausleiht, nimmt meist auch Bücher mit“
Burscheid. Im Interview mit der WZ spricht Büchereileiterin Barbara Hoevels über gefragte Filme, junge Nutzer und umstrittene Bücher.
Frau Hoevels, 2010 war für die Stadtbücherei ein turbulentes Jahr: Krankheitsbedingt fielen zwei der vier Mitarbeiter längerfristig aus. Haben Sie da überhaupt noch Zeit für ein gutes Buch gefunden?
Barbara Hoevels: Ach, am Wochenende habe ich das schon noch geschafft. Das kommt daher, weil ich keinen Fernseher habe. Um mich zu erholen, greife ich nicht zur Fernbedienung, sondern lese ein Buch.
Und wie haben Sie die Situation in der Bücherei bewältigt?
Hoevels: Ich wollte auf keinen Fall von heute auf morgen schließen. Das hätte die Leser nur verärgert. Also ist unter anderem eine Zusatzkraft, die eigentlich nur für fünf Stunden eingeplant war, die ganze Woche gekommen. So haben wir es geschafft, dass die Bücherei erst im August komplett geschlossen werden musste. Darauf konnten sich die Leser einstellen. Leser ist ein gutes Stichwort. Die Zahl der Ausleihen ist 2010 rückläufig gewesen, dafür haben mehr Besucher zur DVD gegriffen.
Wächst unter den Nutzern die Zahl der Nicht-Leser?
Hoevels: Der Rückgang der Ausleihen ist sicherlich auf die Schließung im August zurückzuführen. Ich glaube, die Filme kommen so gut an, weil wir mit ihnen ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen haben. Eine Viodeothek gibt es ja nicht. Aber diejenigen, die DVDs ausleihen, nehmen meist auch Bücher mit.
Welche Medien laufen nicht so gut?
Hoevels: Die Musik-CD ist ein Auslaufmodell. Die jungen Leute kaufen sich in der Regel keine ganzen Alben mehr, sondern laden sich einzelne Stücke aus dem Internet. Was ist bei den jungen Lesern zurzeit angesagt?
Hoevels: Der Trend der fantastischen Literatur hält an. Das hat damals mit Harry Potter angefangen. Neu ist, dass diese Bücher auch von Jungen gelesen werden. Etwa die „Warrior-Cats“-Reihe von Erin Hunter, die ist für beide Geschlechter etwas. Zudem sind einige dieser Bücher auch für junge Erwachsene geschrieben. Die Grenzen verschwimmen. Ich weiß teilweise nicht, wo ich ein Buch einordnen soll.
Lässt sich mit dem Jugendbuchboom auch erklären, warum die Bücherei 2010 eine Zunahme bei den unter zwölfjährigen Entleihern verzeichnen konnte?
Hoevels: Seit dem 1. August 2010 ist der Bücherei-Ausweis für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren kostenlos. Das wird der Hauptgrund sein. Wenn wir Grundschulklassen hier haben, wollen manchmal fast alle einen Ausweis. Das war anders, als der noch vier Euro gekostet hat.
Wenn es ein Buch in der Belletristik in die Top 10 schafft, dann kriegen Sie es automatisch. Erinnern Sie sich an einen richtig schlechten Bestseller aus dem vergangenen Jahr?
Hoevels: Eigentlich nicht. Wenn ich vorher weiß, dass mir etwas nicht gefällt, dann lese ich es auch nicht. Ich bin aber überrascht, wie viele gute Bücher immer wieder in der Bestseller-Liste auftauchen. Auch anspruchvolle Sachen. Philip Roth fand ich zum Beispiel ganz toll.
Kommentieren Ihre Besucher umstrittene Bücher wie „Deutschland schafft sich ab“ oder „Feuchtgebiete“?
Hoevels: Bei „Feuchtgebiete“ gab es eine kleine Kontroverse. Eine Mutter hatte sich bei uns beschwert und gefragt, wie wir Ihrer Tochter solch ein Buch ausleihen könnten. Die war allerdings schon im jugendlichen Alter. Da hätte ich persönlich das Buch für eine Diskussion genutzt.