BV-Artikel aus der NS-Zeit in Solingen wiederentdeckt
Das dortige Stadtarchiv hat die Beiträge inzwischen digitalisiert und dem Burscheider Archiv kostenlos zur Verfügung gestellt.
Burscheid. Wer in den Keller des Rathauses geht, findet im dortigen Stadtarchiv unter anderem fast alle Ausgaben des Bergischen Volksboten (BV) archiviert — von der Ausgabe des 21. September 1864 („Einladung zum Abonnement“) bis zur Gegenwart. Eine Lücke klafft zwischen 1933 und dem 30. Juni 1941, als der BV sein Erscheinen einstellte und erst am 1. November 1949 wieder aufnahm. Die Ausgaben waren zusammen mit den Ratsprotokollen aus der NS-Zeit offenbar kurz vor dem Eintreffen der Alliierten 1945 gezielt vernichtet worden. Doch ein Teil dieser Lücke konnte jetzt durch einen Zufallsfund geschlossen werden.
Eigentlich wollte die ehrenamtliche Archivmitarbeiterin Sabine Wurmbach im Solinger Stadtarchiv nach Unterlagen zu Werner Hallauer, Burscheider Bürgermeister von 1935 bis 1946, recherchieren. Aber dann stieß sie unter dem Stichwort „Ausschnitte“ auf sorgsam aufbewahrte BV-Berichte von 1940 und 1941 — insgesamt rund 135 Artikel, verteilt auf über 200 Seiten.
Dass diese Artikel in Solingen gelandet sind, hatte nach Wurmbachs Schilderung mit der unter den Nazis gleichgeschalteten Presse zu tun. Alle politischen und kulturhistorischen Artikel mussten der Zensur vorgelegt werden, meist vor der Veröffentlichung, mitunter auch danach. Die für Burscheid zuständige Stelle befand sich in Solingen. Dort wurden die Beiträge dokumentiert und bewertet und schließlich der Gauleitung in Düsseldorf übersandt.
Die gefundenen Artikel werfen zwar auch ein Licht auf die NS-Zeit, unter anderem durch das Nazi-Vokabular, das in die Berichterstattung Einzug hielt. Auch offenbart sich das Bespitzelungssystem der Nationalsozialisten, wenn beispielsweise der Verkehrs- und Verschönerungsverein Burscheid 1941 mit einer Ortsbegehung zur Erkundung der Stimmung in der Bevölkerung betraut wird. Aber an vielen Stellen sind die Texte auch eine Quelle für die Zeit des 19. Jahrhunderts. Der Grund: Die bekannten Burscheider Heimathistoriker wie Paul Luchtenberg und Hugo Liesendahl widmeten sich in ihren Veröffentlichungen in der Heimatzeitung während der Diktatur verstärkt dem vermeintlich unverfänglichen Geschehen früherer Zeiten.
Die Funde aus Solingen wurden inzwischen vom dortigen Archiv für Burscheid digitalisiert und sind jetzt dem Stadtarchiv in Burscheid auf CD zur Verfügung gestellt worden.
Wer in den entdeckten Unterlagen stöbert, stößt darin auch auf den Text über „50 Jahre Berufsschule in Burscheid“ vom 15. März 1941. Er rollt die sonst nirgendwo dokumentierte Diskussion vor der Gründung 1891 noch einmal auf „und erinnert mich darin sehr an die Diskussionen und Bemühungen, die wir vor der Gründung der Gesamtschule hatten“, sagt Wurmbach. Auch mache der Artikel deutlich, welches Industriezentrum Burscheid zu der Zeit der Gründung war. Unter anderem war hier das Gewerbegericht angesiedelt.
Daneben gibt es in dem Artikel auch Hinweise zu den Wandfresken, die heute im Sitzungssaal des alten Rathaustraktes verborgen sind. Denn dieser Rathausteil war früher die Berufs- und Handelsschule.