Denkmal Carl Lauterbach nicht mehr zu halten
Das Düsseldorfer Stadtmuseum bewertet den Burscheider Künstler nicht länger als Widerständler, sondern als Profiteur des NS-Kunstbetriebs.
Burscheid. Die Carl-Lauterbach-Straße liegt nur einen kurzen Fußmarsch von seinem Geburtshaus entfernt. Der Name des Künstlers (1906—1991) gilt etwas in dieser Stadt und bei den Menschen, die in ihr leben. Viele haben ihn noch gekannt und geschätzt, auch wegen seiner Reputation als Verfolgter der NS-Zeit.
Doch genau diese Reputation wird inzwischen massiv in Zweifel gezogen — und zwar ausgerechnet vom Stadtmuseum Düsseldorf, in dessen Besitz sich das viel gerühmte Archiv Lauterbach mit seinen zahllosen geschichtlichen Dokumenten und Lebenszeugnissen des Künstlers befindet.
Seit dem 2. Februar zeigt das Stadtmuseum die Ausstellung „Zeichnungen von Kindern und Künstlern“, in der es unter anderem auf seine Sammlung von rund 2000 Zeichnungen jüdischer Kinder aus der NS-Zeit zurückgreift. Die Arbeiten entstanden im Unterricht des Malers Julo Levin, der sie zum Teil an seinen Freund Carl Lauterbach weitergab.
In dem Zusammenhang rückte eine biografische Skizze in den Blickpunkt, die das Stadtmuseum auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Darin heißt es: „Entgegen seiner späteren Selbstdarstellung als Oppositioneller und Künstler des Widerstands hat Lauterbach nach eigener Aussage zwischen 1933 und 1943 an rund 40 Ausstellungen in Deutschland und den von Deutschland besetzten Gebieten mitgewirkt, darunter auch an der von der Wehrmacht organisierten Kunstausstellung für deutsche Soldaten in Paris.“
Bis 1941 seien von der Stadt Düsseldorf noch Werke Lauterbachs angekauft worden. „Lauterbach hatte weder Berufsverbot, noch galten seine Werke als ,entartet’. Seit 1934 war er Mitglied in der Reichskammer der Bildenden Künste“, heißt es in der Skizze.
Derjenige, auf dessen Forschungen diese Einschätzung beruht, ist Werner Alberg, bis 2009 Leiter des Archivs Lauterbach und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stadtmuseums. „Carl Lauterbach war kein Nazi, das wäre eine Verleugnung seiner Person“, sagt Alberg heute. Er habe sich durchgemogelt. „Aber ich halte es für inakzeptabel, dass jemand sich als Widerständler darstellt, sich aber in Wirklichkeit verhalten hat wie viele andere Tausende auch.“
Ganz neu sind die Vorwürfe nicht. Schon im Katalog zu einer großen Lauterbach-Ausstellung 1981 im Düsseldorfer Stadtmuseum erwähnt der damalige Museumsdirektor Wieland Koenig eine Kritik an Lauterbach, die diesen wegen seines Verhaltens in der NS-Zeit als „aus Überzeugung oder Profitdenken angepassten Künstler“ bezeichnete. Aber Koenig ergänzt sogleich, vor diesem Vorwurf sei Lauterbach zu schützen.
Auch Alberg selbst schildert in seinem Buch „Carl Lauterbach — Maler und Sammler“ von 1994 den Weg des Künstlers unter der Nazidiktatur noch als „innere Emigration“: „Scheinbar angepasst, arbeitete er im geheimen an Bildthemen, um die herbe Wahrheit des Regimes und die Leiden seiner Opfer zu dokumentieren.“
Inzwischen rückt der Wissenschaftler von dieser Einschätzung ab. Sie habe auf dem damaligen Kenntnisstand basiert. Im Zuge seiner Forschungen sei er aber auf Fakten gestoßen, die belegten: „Lauterbach war geschätzter und geförderter Teil des Kulturlebens zwischen 1933 und 1945.“ Und diese Fakten beruhen nach seinen Angaben auf dem Archiv Lauterbach selbst.
„Ich beurteile nicht, sondern ich referiere Fakten“, sagt Alberg. Auch sieht er eine „innere Not“ bei Lauterbach. „Dass jemand damals am öffentlichen Kunstbetrieb teilgenommen hat, würde ich ihm nie vorwerfen. Lauterbach musste existieren.“
Aber die anschließende Selbstdarstellung des Künstlers verliert vor dem Ergebnis der Forschungen ihre Redlichkeit. Dass Lauterbach nach dem Krieg Wiedergutmachung als politisch Verfolgter beantragte und Mitglied der „Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes“ war, erscheint heute in einem neuen Licht.
Die Stadt Düsseldorf hat inzwischen ihre Konsequenzen aus den Forschungsergebnissen gezogen. „Da sich faktisch vieles anders darstellt, als Lauterbach es geschildert hat, wird es aus unserer Sicht keine Gedenkveranstaltungen zu Lauterbach mehr geben“, sagt Kulturdezernent Hans-Georg Lohe.
Auch der Carl-Lauterbach-Preis für soziale Grafik der Stadt Düsseldorf wurde 2005 zum letzten Mal verliehen. „Schon 2007 kam die Frage auf, was soziale Grafik überhaupt sei“, sagt Lohe. Vor dem Hintergrund der jüngsten Forschungsergebnisse sei man dann endgültig ganz von weiteren Preisverleihungen abgerückt.
Für den Wissenschaftler Alberg, der Lauterbach und seine zweite Ehefrau, die renommierte Fotografin Ruth Baehnisch, selbst gut gekannt und eng mit ihnen zusammengearbeitet hat, war es am Ende eine moralische Frage, das Lauterbach-Bild zu korrigieren. „Natürlich habe ich mich gefragt, wer ihn da jetzt vom Sockel holt, und darum umso sorgfältiger hingeguckt.“
Niemand habe das vermutet. „Lauterbach war eine anerkannte Person mit sozialer Reputation.“ Er empfinde menschliches Bedauern, „dass jemand diesen Weg für sich wählen musste, weil er keine andere Möglichkeit sah, Reputation zu erlangen“. Denn Carl Lauterbachs künstlerisches Werk allein, auch da ist der Blick des Kunstwissenschaftlers nüchtern, hätte diese Reputation nicht verdient und auch nicht erhalten.
Mit Ruth Lauterbach-Baehnisch hätte Alberg gerne noch über seine Erkenntnisse gesprochen. „Aber da war sie schon verstorben.“