Interview „Die Einschränkungen haben die Uniwelt sehr dünnhäutig gemacht“

Wie erleben Sie die Situation im zweiten Lockdown?

Jörg J. Schmitz ist Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks.

Foto: Werk

Jörg J. Schmitz: Die gesamte Uniwelt ist durch die andauernden Einschränkungen sehr dünnhäutig geworden. Da gibt es Studierende im zweiten Semester, die noch keine Vorlesung im Hörsaal erlebt haben und die sich noch nie in einem Seminar untereinander austauschen konnten. Wenn man da das ganze Studium von zu Hause absolviert, kann einem schon mal die Decke auf den Kopf fallen. Wir merken das auch bei unseren Kunden, zum Beispiel in den Mensen. Diese waren in der ersten Welle zunächst geschlossen, dann konnten wir sie wieder öffnen und jetzt ist der Betrieb wieder stark eingeschränkt worden. Die Belastung stieg mit zunehmender Dauer der Krise. Es gibt bei uns kaum noch persönliche Gespräche vor Ort, und die Übergabe von Zimmern in den Wohnheimen ist wegen der Hygieneregeln nur noch mit sehr hohem Aufwand möglich. 

Welche Folgen hat das für das Studierendenwerk?

Schmitz: Im Wohnbereich gibt es im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr keine großen Veränderungen. Wir hatten im Frühjahr zeitweise einen geringen Leerstand in den Wohnheimen, vor allem weil Studierende aus dem Ausland nicht nach Köln reisen konnten. Das hat sich inzwischen geändert. Seit September sind wir wieder voll belegt. Allerdings sind die Wartelisten spürbar kürzer geworden. Manche Studierende verzichten in dieser Phase zunächst aufs Studium oder brechen es ab, auch weil die Finanzierung durch Nebenjobs aktuell sehr schwierig ist. Das ist ein echtes Problem. Oder sie studieren von ihrem Heimatort aus. Die Digitalisierung der Lehre hat hier vieles möglich gemacht. 

Wie schaut es in den Mensen und Cafeterien aus?

Schmitz: Wegen des aktuellen Lockdowns ist kein Verzehr vor Ort möglich. Alle Speisen gibt es nur noch zum Mitnehmen. In Absprache mit den Hochschulleitungen und der Studierendenschaft haben wir einige Verpflegungseinrichtungen wie in der Katholischen Hochschule und der Hochschule für Kunst und Medien komplett geschlossen, da es durch Homeoffice und Studieren von zu Hause keinen ausreichenden Bedarf mehr gibt. Bei anderen läuft alles im To-Go-Betrieb; so wird die Basisversorgung am Hochschulstandort Köln sichergestellt. 

Was passiert bei der Unterstützung und Beratung für die Studierenden?

Schmitz: Der Bedarf bei der sozialen und psychischen Beratung ist durch die aktuelle Situation deutlich gestiegen. Hier haben wir auch Personal aufgestockt. Da geht es darum, wie man als Student durch die Corona-Krise kommt. Die Themen sind dabei sehr vielfältig. Das Bafög hatte zu Beginn der Krise einen eher geringen Stellenwert, da das Sommersemester schon weitgehend erledigt war. Jetzt im Winter ist das Thema Bafög sehr wichtig geworden. Es gibt auch immer wieder Neuanträge beziehungsweise modifizierte Anträge, da sich die persönliche Situation verschlechtert hat. Wir spüren, dass die Studierenden hier deutlich mehr Druck verspüren. Bei der Überbrückungshilfe der Bundesregierung führen wir das Antragsverfahren durch. Ein Problem ist, dass die Kriterien sehr streng sind und wir viele Anträge ablehnen mussten. Inzwischen wurde etwas nachgebessert, grundlegende Veränderungen gab es aber nicht. Der Anteil der betroffenen Studierenden liegt bei etwa zwei bis drei Prozent. Aber bei denen ist die Not sehr groß. Dazu kommt noch unser eigener Notfonds, mit dem wir zu helfen versuchen. 

Wie wird die aktuelle Krise das Studium künftig verändern?

Schmitz: Das hängt davon ab, wie hoch der Anteil der Digitalisierung am gesamten Studium sein wird. Geht man von etwa zehn Prozent aus, wird das für die Verpflegung und das Wohnen keine großen Veränderungen mit sich bringen. Dann wird die Überbuchung der vorhandenen Wohnheimplätze anhalten und wir dürfen nicht nachlassen, neuen Wohnraum für Studierende zu schaffen. Geht man von einem digitalen Anteil von 50 Prozent aus, wie manche vorhersagen, dann hätten wir eine deutliche Entlastung in den Wohnheimen. Wie es weitergeht, weiß aber im Moment keiner. Da fahren alle aktuell nur auf Sicht. Und die verschiedenen Hochschulen haben eine sehr unterschiedliche Ausgangslage im Hinblick auf die Studienfächer. Der mögliche Grad der Digitalisierung ist natürlich bei Geisteswissenschaften ein anderer wie bei Musik oder Sport. 

Wie wird sich das kommende Sommersemester gestalten?

Schmitz: Bis vor einigen Tagen hätte ich noch geantwortet, dass es im Sommersemester noch deutliche Einschränkungen geben wird, mit einer Präsenz von etwa 50 Prozent am Standort. Dafür wird dann das Wintersemester wieder weitgehend normal verlaufen. Jetzt habe ich aber in einem Medienbericht gerade gehört, dass es wohl bis zum April 2022 dauern wird, bis durch die Impfungen eine Herdenimmunität erreicht ist und die Kontaktbeschränkungen entfallen. Das würde bedeuten, dass wir nicht vor dem Sommersemester 2022 zum Normalbetrieb zurückkehren können. 

Was können wir aus der Pandemie und ihren Folgen lernen?

Schmitz: Wir haben viel bei der Krisenkommunikation gelernt, auch wenn wir nicht gedacht hätten, dass wir das so lange durchhalten müssen. Da hat sich viel weiterentwickelt, und es ist mehr Routine in der Krise eingekehrt. Wir sind deutlich krisensensibler geworden. So haben wir eine hohe Homeoffice-Quote, und unsere Mitarbeiter schätzen das. Das Homeoffice zieht sich durch alle Ebenen, abgesehen von den handwerklichen Berufen.