Sion „Die Gastronomie wird vor Anfang April keine Chance bekommen“

Wie erleben Sie die Situation jetzt während des zweiten Lockdowns?

René Sion, Chef des Brauhauses Sion, sieht eher pessimistisch in die Zukunft.

Foto: Roland Breitschuh

René Sion: Die Situation hier in der Altstadt ist ähnlich dramatisch wie während des Lockdowns im Frühjahr. Auf den Straßen sind kaum noch Menschen unterwegs und auch im Einzelhandel in der Innenstadt herrscht nur wenig Betrieb. Die Menschen haben keine Lust in der City einzukaufen. Das ist in Stadtteilen wie Nippes und Ehrenfeld noch anders. 

Was ist anders als im Frühjahr?

Sion: Bei uns im Brauhaus ist wie im Frühjahr wieder alles komplett zu. Wir haben uns nach der Wiedereröffnung im Mai über den Sommer gehungert und das mit deutlichen Umsatzrückgängen. Jetzt ist die Lage nach der erneuten Schließung katastrophal. 

Haben Sie die Hoffnung, dass sich an dieser Situation in absehbarer Zeit etwas ändern könnte?

Sion: Da bin ich eher pessimistisch. Wir können uns nicht von Monat zu Monat hangeln, wenn das Virus in dieser Jahreszeit gut unterwegs ist. Daher befürchte ich, dass die Gastronomie vor Anfang April keine Chance bekommt, wiederzueröffnen. Die Maßnahmen, die Anfang November ungesetzt worden sind, waren notwendig, das müssen wir jetzt so beibehalten, wenn wir das Virus in den Griff bekommen wollen. 

Welche Folgen hat das für Ihren Betrieb?

Sion: Die Folgen sind aktuell noch nicht absehbar. Da sind noch alle Szenarien möglich, von der Rettung durch Hilfspakete bis zur Insolvenz. Eine längerfristige Planung ist für uns nicht möglich, da es keine Grundlagen dafür gibt. Da muss man immer von Monat zu Monat weitersehen. 

Wie sind die Reaktionen der Mitarbeiter?

Sion: Da sind wie in vielen anderen Branchen die Sorgen groß. Man weiß nicht, ob man in diesem Jahr noch ein Weihnachtsgeld bekommt und ob das Unternehmen im kommenden Jahr überhaupt noch existiert. Dazu kommt die Unsicherheit, weil man nicht weiß, wie lange diese Situation noch anhält. Gerade bei uns leben die Mitarbeiter auch ganz entscheidend von den Nachtzuschlägen und den Trinkgeldern der Gäste. Da gab es schon im Sommer Einbußen. Und ohne etwas im Portemonaie kann kein Leben stattfinden. 

Auch die Weihnachtsmärkte und Karneval werden ausfallen müssen.

Sion: Das ist ein kulturelles Desaster und eine wirtschaftliche Katastrophe. Diese Zeit jetzt ist neben den Messen und dem Tourismus unser Kerngeschäft. Damit gleichen wir eher moderate Sommer aus. Der Umsatz, den wir jetzt nicht machen können, fehlt allen in der Wertschöpfungskette. 

Sie waren selbst Jungfrau im Dreigestirn. Wie blicken Sie auf das aktuelle Dreigestirn der Altstädter?

Sion: Ich freue mich für jeden, der die Chance bekommt, diese Aufgabe zu übernehmen. Auch bei mir ist damals ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Aber diese Session bietet dem Dreigestirn nicht, das, was eine solche Aufgabe so reizvoll macht. Ihr werden alle emotionalen Momente durch die aktuelle Situation entzogen. Der einzige Trost ist da, dass die drei auch in der kommenden Session noch im Amt sein werden. Ich wünsche ihnen, dass sie dann alles, was jetzt fehlt, nachholen können. Dass sie jetzt in der Pandemie bereit sind, als Dreigestirn unterwegs zu sein, dazu gehört jede Menge Mut. Davor habe ich großen Respekt. Denn eigentlich ist die Session, bevor sie richtig beginnt, schon gelaufen. 

Wie sieht es bei Ihrer eigenen Karnevalsgesellschaft, der Bürgergarde blau-gold aus?

Sion: Da läuft das Gesellschaftsleben auf Sparflamme. Wegen des Lockdowns sieht man sich nicht mehr – unsere Korpsabende entfallen. Die Mitglieder stecken das aber gut weg und versuchen über Social Media zu kommunizieren. Das ist natürlich keine Dauerlösung. Wir wollen unseren Karneval wieder zurück. 

Wie werden sich die Menschen durch die Pandemie verändern?

Sion: Das ist sehr schwer zu beurteilen. Die Menschen werden vorsichtiger sein. Die Angst vor Infektionen wird den Menschen bleiben. Da wird man vielleicht nicht mehr ganz so ausgelassen feiern, wie das vorher der Fall war. Anderseits wird es in einer Stadt wie Köln, wenn wirklich alles vorbei ist, schnell wieder ein normales Leben geben. Das wäre aber anders, wenn Viruswellen regelmäßig jedes Jahr zu uns kommen, dann würde sich die Art zu leben, grundsätzlich ändern. 

Was macht Ihnen derzeit die größten Sorgen und was die größten Hoffnungen?

Sion: Gedanken mache ich mir, ob der Impfstoff wirklich die Lösung bringen wird. Wie wird dieser akzeptiert und wie effizient schützt er uns vor dem Virus? Falls das nicht die Lösung bringt, bleibt die Frage, wie lange wir das noch wirtschaftlich durchhalten. Irgendwann sind auch die Staatskassen leer. Ich denke auch nicht, dass es die Lösung ist, unsere Gesellschaft keimfrei zu machen. Die Viren werden zum Leben dazugehören und wir müssen lernen, mit ihnen klarzukommen.