„Für mich ist das hier purer Luxus“

Am Sonntag feiert Rossinis Oper „Mosè in Egitto“ Premiere im Staatenhaus. Die Regie übernimmt Lotte de Beer.

Foto: Eppinger

Wie haben Sie Rossinis Oper „Mosè in Egitto“ auf der Bühne umgesetzt?

Lotte de Beer: Als ich das Stück das erste Mal gelesen habe, wusste ich, dass es schwierig wird, dieses auf die Bühne zu bringen. Das liegt daran, dass Rossini in dieser Oper mit zwei Ebenen arbeitet. Die erste Ebene ist riesengroß und umfasst Gott genauso wie das gesamte Land mit dem ägyptischen und dem hebräischen Volk. Das ist so auf einer Bühne nicht realisierbar. Die zweite Ebene ist sehr klein und persönlich. Sie umfasst die Familien, die im Mittelpunkt der Macht und des großen Geschehens stehen. Das funktioniert sehr gut auf einer Bühne. Ich habe mich als Atheistin auch gefragt, was das für ein Gott ist, um den es in der Oper geht. Es ist ein Gott, der Ansagen macht, der Macht hat und der Gehorsam verlangt. Auch das musste umgesetzt werden.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

De Beer: Das niederländische Theaterkollektiv „Hotel Modern“, das mit kleinen Puppen und Modellen arbeitet, ist ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung. Kleine Kameras nehmen dabei diese zusätzliche Ebene auf, die auf beeindruckende Weise auf die Bühne projiziert wird.

Was hat Sie an dieser Oper besonders gereizt?

De Beer: Es gibt im dritten Akt ein besonders schönes Ensemblestück — ein Gebet, das von allen Hebräern gesungen wird. Sie sind am Roten Meer angekommen. Vor ihnen befindet sich das Wasser und hinter ihnen ihre Verfolger. Sie geben die Hoffnung auf, das gelobte Land je zu erreichen. Dieses gesungene Gebet berührt die Menschen heute noch genauso wie früher. Es ist ein Gebet aller Flüchtlinge — die, die damals Ägypten geflohen sind und die Menschen, die heute in unserer modernen Welt auf der Flucht sind. Das gibt Rossinis Oper auch heute noch eine große gesellschaftliche Relevanz.

Wie bringen Sie die Oper in die Jetztzeit?

De Beer: Ich habe nicht versucht, „Mosè in Egitto“ in die Moderne zu bringen. Die Kostüme entsprechen der Zeit, als die Hebräer aus Ägypten geflohen sind. Wir kennen Bilder von Vertreibung, Tod und Zerstörung aus den Medien. Ich habe versucht, diese Themen auf eine szenisch adäquate Weise in einer universell gültigen Bildsprache auf die Bühne zu bringen.

Welche Botschaft hat die Oper für uns moderne Menschen?

De Beer: Der Mensch ist nicht für das Nirwana geschaffen, weil er nicht mit Macht umgehen kann. Sein ganz privater Wille hindert ihn daran, sich für das allgemeine Glück einzusetzen. Das sieht man gerade an der Flüchtlingskrise in Syrien. Dort sorgen einzelne Individuen für das Unglück eines ganzen Volkes. „Mosè in Egitto“ galt lange als verschollen. De Beer: Das macht diese Oper für mich besonders reizvoll, sie ist etwas ganz Besonderes. Fast niemand kennt sie.

Sie arbeiten erstmals in Köln. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Interim Staatenhaus gemacht?

De Beer: Für mich ist das wie ein Geschenk. Die Bühne erinnert eher an eine Installation und bringt das Publikum sehr nah ans Geschehen. Die Möglichkeiten, hier ein Stück zu inszenieren, sind deutlich größer als in einem klassischen Opernhaus. Für mich ist das hier purer Luxus und kommt auch der Qualität der Inszenierungen zu gute. Da fragt man sich schon fast, warum man ins Opernhaus zurückwill.

Welche Unterschiede gibt es zur Inszenierung bei den Bregenzer Festspielen?

De Beer: Weil das Publikum so nahe dran ist, empfindet es die Szenerie größer, obwohl die in Realität kleiner als in Bregenz ist. Außerdem ist die Sängerbesetzung eine andere und die Figuren erhalten dadurch neue, persönliche Nuancen. Insgesamt können wir unsere Geschichte hier in Köln klarer erzählen und haben zudem die Rolle der Götter neu definieren können.

Wie funktioniert das Zusammenspiel mit dem musikalischen Leiter David Parry und dem Bühnenbildner Christof Helzer?

De Beer: Mit Christof arbeite ich zum ersten Mal zusammen, es sind aber weitere zwei gemeinsame Projekte geplant. Er ist ein richtiger Künstler, der für die Zusammenarbeit lebt. Er hat moderne Elemente wie die große Kugel in der Bühnenmitte eingefügt. David, ein Rossini-Spezialist, ist in der Zusammenarbeit einfach großartig. Er liebt die menschliche Stimme und gibt den Sängern sehr viel Raum, um ihre Stimmen klingen zu lassen.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Solisten?

De Beer: Wir haben mit Anton Rositskiy und Mariangela Sicilia zwei tolle junge Hauptdarsteller in den Rollen des Osiride und der Elcia — beides sehr gute Sänger und intuitive Schauspieler. Und wenn man unseren Mosè Ante Jerkunica hört, glaubt man sofort wieder an Gott. In diese Stimme verliebt man sich sofort.

Welche Beziehung haben Sie als gebürtige Amsterdamerin zu Köln?

De Beer: Ich war bei einem Schulausflug einmal in Köln und habe dort den Dom besucht. Es ist eine tolle Stadt. Aber die Amsterdamer denken, dass sie im Zentrum der Welt leben und verlassen ihre Stadt deshalb nur selten. Das ist eine Eigenschaft, die sie wohl mit den Kölnern teilen.