Essen & Trinken Gastronomie: „Mittelmaß wird es noch schwerer haben als bisher“

Wie entwickelt sich der Bierkonsum nach den Lockerungen?

Das Brauhaus Sion liegt mitten in der Kölner Altstadt und blickt auf eine lange Tradition zurück.

Foto: Rheinstern

Georg Schäfer: In den ersten Monaten des laufenden Jahres war der deutsche Biermarkt weiterhin geprägt vom Lockdown, infolgedessen es zu dramatischen Absatz- und Umsatzausfällen im Außer-Haus-Markt kam. Auch das Handelsgeschäft hatte zunächst an Dynamik verloren. Erst mit den Lockerungen hat eine leichte Erholung eingesetzt, die aber die schwere Hypothek aus dem Jahresbeginn nicht tilgen konnte. So ist per Ende Mai 2021 ein Minus von 8,3 Prozent beim Bier-Inlandsabsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aufgelaufen, in Nordrhein-Westfalen sind es minus 7,3 Prozent laut Statistischen Bundesamt in Wiesbaden.

Welche Folgen hat das für den Kölsch-Markt und die Kölner Gastronomie?

Schäfer: Der Kölsch-Markt hat sich – vor allem angesichts der hohen Bedeutung vom Fassbier – Ende Mai mit einem Minus von 22,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch deutlich unter Marktniveau entwickelt, so der Kölner Brauerei-Verband. Die Gastronomieschließungen und Veranstaltungsverbote, und hier insbesondere der Ausfall der absatzbedeutsamen Karnevalssession, haben die Kölsch-Brauer ungleich härter getroffen. Das trübt natürlich die Freude über erste Veranstaltungen und vor allem den Restart der Gastronomie, die noch lange nicht auf dem Niveau aus der Zeit „vor Corona“ ist und zudem Personalengpässe zu beklagen hat, da viele Fachkräfte während der Lockdowns in andere Bereiche gewechselt sind. Wir spüren aber auch, dass die Menschen wieder Freude am Ausgehen haben und an einem frisch gezapftes Kölsch haben, insbesondere bei schönem Wetter in der Außengastronomie, nachdem sie es über viele Monate nur daheim genießen konnten.

Welche Rolle spielt der aktuelle Personalmangel bei der Erholung der Gastronomie in Köln und der Region. Wie ist aktuell hier die Situation?

Schäfer: Laut der Bundesagentur für Arbeit sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie in Deutschland Ende April 2021 auf knapp 940.000. Das ist ein Rückgang von knapp 154.000 Beschäftigten oder gut 14 Prozent gegenüber April 2019. Im Vergleich zu April 2020, als die Corona-Pandemie auch Deutschland ergriffen hatte, sank die Beschäftigtenzahl um knapp 83.000 oder rund acht Prozent. Laut Dehoga sind viele von ihnen in andere Bereiche gewechselt infolge des monatelangen Lockdowns im Herbst und Winter 2020/21, beispielsweise in den Einzelhandel oder die Logistik. Dies spürt das Gastgewerbe nun.

Welche Folgen hatte der lange Lockdown für Ihr Unternehmen?

Schäfer: Die gesamte Brauwirtschaft sowie die Kölsch-Brauereien haben erheblich unter den beiden Lockdowns gelitten: Allein das Jahr 2020 brachte einen Absatzrückgang von rund 508 Millionen Litern (minus 5,5 Prozent) auf historisches Tief von rund 8,7 Milliarden Liter Bier. Die Bierverkaufszahlen sind damit innerhalb nur eines Jahres fast so stark gesunken wie in den zehn Jahren davor zusammengenommen. Dieser Einbruch ist in der Nachkriegszeit ohne Beispiel. Parallel sind die Kosten gestiegen, beispielsweise für Transport, Rohstoffe, Energie oder auch nochmals erhöhte Sicherheits- und Hygienemaßnahmen. So verzeichneten die Brauereien nach einer Umfrage des Deutschen Brauer-Bundes im Jahr 2020 ein Umsatzminus von im Mittel 23 Prozent. Von dieser Marktentwicklung konnten auch wir uns im Haus Kölscher Brautradition leider nicht abkoppeln, auch wenn wir wettbewerbsrelevante Detailangaben nicht veröffentlichen – wir bitten um Verständnis.

Welche Trends gibt es auf dem Biermarkt?

Schäfer: Neben bundesweiten Sortentrends wie beispielsweise eine steigende Nachfrage nach Hellbieren oder naturtrüben alkoholfreien Radlern oder dem wieder vermehrten Zuspruch für Getränkedosen sehen wir eine Rückbesinnung auf starke, bekannte und verlässliche Marken sowie vor allem auf regionale Biere – und beides können wir im Heimatmarkt mit unseren Kölsch-Marken bedienen.

Wie groß ist die Sorge vor einer vierten Welle und einem erneuten Lockdown?

Schäfer: Zunächst einmal freuen wir uns, dass sich die Menschen jetzt wieder „auf ein Kölsch“ treffen können. Und natürlich hoffen wir für unsere Partner der Gastronomie, für Veranstalter und natürlich auf für uns, dass ein vierter Lockdown vermeidbar ist durch Hygienekonzepte, die Einhaltung gebotener Regeln, eine steigende Impfquote beziehungsweise eine gute Teststrategie, um nur einige Beispiele zu nennen. Wobei beim Blick über die Ländergrenzen ebenso klar ist, dass wir in einer volatilen Lage leben, solange die Pandemie nicht weltweit bewältigt ist.

Ist eine Öffnung nur für Geimpfte und Genesene realistisch?

Schäfer: Diese streitbare Frage müssen letztendlich medizinische Experten und die Politik beantworten.

Wie hat beziehungsweise wie wird sich die Gastronomieszene in Köln und der Region verändert?

Schäfer: Das werden wir erst in der weiteren Zukunft sehen. Tendenziell werden aber der Systemgastronomie beziehungsweise größeren Gruppen gute Entwicklungschancen prognostiziert, wie auch Objekten, deren Gesamtkonzept überzeugt – also Ambiente, Speisen und Getränke, Personal, ergänzende Angebote wie Sonderveranstaltungen. Anders gesagt: Mittelmaß wird es noch schwerer haben als bisher.

Wie unterstützen Sie die Wirte in der schwierigen Situation?

Schäfer: Partnerwirte finden auf der eigens eingerichteten Internetseite www.gastronomie.info viele hilfreiche Informationen, wenn es zum Beispiel um staatliche Unterstützungsmaßnahmen gibt. Auch ein Leitfaden für Wiedereinstieg gibt wertvolle Tipps, wobei wir auch passende Werbemittel zur Reaktivierung der Gäste vorhalten. Zudem steht unser Vertriebsteam beratend zur Seite, wenn sich weitere Fragestellungen ergeben.

Welche Vorbereitungen gibt es für den kommenden Herbst und Winter?

Schäfer: Nachdem uns die Corona-Pandemie sein nunmehr eineinhalb Jahren begleitet, sind nochmals erhöhte Hygienemaßnahmen „gelernter“ Alltag – sowohl bei uns als auch bei Gastronomen und Veranstaltern sowie deren Besuchern. Inwieweit die Herbst- und Wintersaison besondere Vorbereitungen braucht, bleibt abzuwarten: Die Rahmenbedingungen werden letztendlich auf politischer Ebene nach ihrer Verhältnismäßigkeit beurteilt und gesetzt, abhängig vom Infektionsgeschehen. Auf diese weiterhin volatile Lage werden wir uns einstellen, falls sich die Rahmenbedingungen ändern. Auch wenn wir natürlich hoffen, dass der Herbst/Winter 2021 ein anderer sein wird als im Vorjahr.

Ihr Tipp in Köln für diesen Sommer?

Schäfer: Natürlich gibt es für mich nichts Schöneres, als ein frisch gezapftes Kölsch zu genießen – sei es im Brauhaus Sion oder Dom Brauhaus, im Peters Brauhaus oder Gilden im Zims, aber auch in den vielen, vielen anderen Gasthäusern, Kneipen und Szenetreffs unserer Heimatstadt. Denn: Alle haben sich vorbereitet und geben sich viel Mühe, die Gäste jetzt wieder bestmöglich zu bewirten.