Leben Der kölsche Grandseigneur

Köln · Heute feiert der Ludwig Sebus seinen 94. Geburtstag. Ein neues Buch blickt auf sein bewegtes Leben.

Ludwig Sebus gehört zu den großen Musiklegenden und Zeitzeugen in Köln. Heute wird er 94 Jahre alt.

Foto: step/Eppinger

Bekannt ist Ludwig Sebus den meisten Menschen als der Grandseigneur des rheinischen Entertainments – als Kätzjersänger, Entertainer, Confrencier und Moderator ist der Kölner auf vielen Bühnen zu Hause. Das gilt bis heute – an dem Tag an dem Sebus seinen 94. Geburtstag feiert und das, obwohl er eigentlich bereits mit 60 seine Künstlerkarriere beendet hatte. Doch die Bühne hat ihn nicht losgelassen und ist er zurückgekehrt, beim Kölner Kätzjer Fest genauso wie bei der Schrebergartentour des Humba e.V., lange Jahre bei der Kölschen Weihnacht in der Philharmonie und mit 85 als Debütant auf der Operettenbühne.

Doch Ludwig Sebus ist auch bis heute ein engagierter Zeitzeuge und das auf vielen Bühnen, wenn es darum geht, an Krieg und den Terror der NS-Herrschaft zu erinnern und nachfolgende Generationen zu ermutigen, sich für den Frieden und gegen rechtspopulistische Tendenzen einzusetzen. Seine Erinnerungen an die Zeit der Schreckensherrschaft und des Zweiten Weltkrieges wurde im Zeitzeugenarchiv des NS-Dok vor 14 Jahren in Form eines langen Interviews festgehalten.

Die katholische Jugend gerät ins Visier der Nationalsozialisten

Sebus Kindheit und Jugend war eng mit dem Gemeindeleben der Pfarrei St. Michael im Belgischen Viertel verbunden. Seit seinem achten Lebensjahr war er dort Mitglied der Jungschar. Dabei war die katholische Jugend für die Nazis ein rotes Tuch ähnlich wie die Navajos oder die Edelweißpiraten, zu denen Sebus flüchtigen Kontakt hatte. Sie entzog sich unangepasst der Hitlerjugend und wurde vom NS-Regime verfolgt.

Von Behörden und Denunzianten unentdeckt, entwickelte sich das „Haus Büchel“ im Bergischen zum Zufluchtsort für die Kölner Jungschar. „Ein verlorener Haufen sei man gewesen, das Haus Büchel erschien wie eine Burg, wo man in Sicherheit war“, erinnert sich Sebus, der als Jugendlicher von der Gestapo im El-De-Haus verhört worden war.

Im Oktober 1943 wurde Sebus mit 18 einberufen und musste in den Krieg ziehen. Später kam er in russische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst fünf Jahre später wieder nach Köln zurück. Während er aus dem Krieg kam und mit den Folgen der Vergangenheit zu kämpfen hatte, war der Blick in seiner Heimat nur nach vorne und auf den Wiederaufbau gerichtet. Keiner wollte etwas von der Vergangenheit wissen, Verdrängung war überall angesagt.

Im Brauhaus erlebte Sebus, wie der frühere NS-Gauleiter gefeiert wird und fragt sich, warum dieser Mann frei ist und er fünf Jahre in Gefangenschaft leben musste. Während viele der Meinung waren, dass man in schwierigen Zeiten nichts machen konnte, zeigt Sebus, dass das durchaus möglich war. Das gilt auch für seinen Vater, der als „stiller Held“ kurz vor Kriegsende einen Juden ein Versteck geboten hatte und ihm so das Leben retten konnte.

Ludwig Sebus engagiert sich
als Zeitzeuge und Mahner

Die Zeit zwischen der Machtergreifung der Nazis und den Nachkriegsjahren nimmt eine wichtige Rolle im neuen Buch von Helmut Frangenberg über Ludwig Sebus ein, genauso wie seine Rolle heute als Zeitzeuge und Mahner. Die Biografie erscheint Ende dieser Woche im Kölner Dabbelju Verlag. „Es ging mir darum, das Leben in die Zeit einzuordnen, in der es stattfindet. Insofern ist es auch ein politisches Buch geworden“, sagt Frangenberg.

Die Menschen, die sich heute noch an die Zeit von Gewaltherrschaft und Krieg erinnern könnten, seien weniger geworden. Es geht Frangenberg auch um die Verbindung des von Sebus Erlebten mit den schlechten Entwicklungen in der Jetztzeit. Dabei hat der Autor wichtige Quellen wie die Chronik des Haus Büchels entdeckt, die die Aussagen von Sebus eindrucksvoll belegen können.

Als Künstler spielt für Sebus auch immer die kölsche Mundart eine wichtige Rolle. Er singt auf Kölsch, als alle Kollegen schon ins Hochdeutsche übergewechselt waren und in einer Zeit, als Kölsch zu reden, ziemlich verpönt war. Jedes Jahr erzählt er eine oder zwei neue kölsche Geschichten. Anderseits versucht auch er den bundesweiten Erfolg mit hochdeutschen Liedtexten.

Von Sebus selbst gibt es viel Lob für das neue Buch über sein Leben: „Der flüssige Schreibstil regt zum Weiterlesen an, auch weil Helmut es vermieden hat, Dinge nur aufzuzählen und aneinanderzureihen. Das Buch ist ein Spiegelbild der damaligen Zeit, das aber auch dazu anregt, sich mit heutigen Entwicklungen näher zu befassen. Und es ist ein außergewöhnlich gut recherchiertes Buch geworden.“