Kultur Der Mann, der das jüdische Köln verändert hat
Köln · Im vergangenen Jahr hat Köln die Chance genutzt, um zu zeigen, wo die Heimat des weltberühmten Komponisten Jacques Offenbach wirklich lag. Doch das musikalische Genie des Schöpfers von Cancan und Barcarole kommt nicht von ungefähr.
Sein Vater Isaac war 30 Jahre lang Kantor der Kölner Synagoge. Zu der Zeit, als er von Offenbach an den Rhein kam, waren gute Musiker dort sehr begehrt. Denn im Rechtsrheinischen, war der Ort, an dem man in Köln feiern konnte. Viele entsprechende Etablissements hatten in Deutz ihren Sitz. Damals war der heutige Stadtteil noch eine eigenständige Stadt und wurde vor allem von Protestanten und Juden bewohnt. Das Leben war hier deutlich offener als im linkrheinischen, katholischen Köln. Heute erinnert nur noch das Grabmal auf dem jüdischen Friedhof in Deutz an Isaac Offenbach.
Er war ein begnadeter Musiker, der vier Instrumente perfekt beherrschte und der seine beiden Söhne nach Paris brachte, um ihnen dort den Weg für eine große Karriere zu ebenen. Während Jacques jüngerer Bruder von Paganini unterrichtet wurde, kam er selbst aufs Konservatorium. Als Isaac aus Paris zurückkehrte, brachte er viele liberale Ideen mit, die er an der Seine kennengelernt hatte. Sie wollte er auch in der Heimat verbreiten, denn Isaac Offenbach war nicht nur ein großartiger Musiker, sondern auch ein streitbarer Reformer und geistreicher Autor.
Die Hagadah gab es 1838
erstmals in deutscher Sprache
1838 erschien seine Bearbeitung der Pessach-Hagadah, die die biblische Erzählung über den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und dazu rituelle Anweisungen und Lieder enthält. Traditionell wird das mehrtägige Pessach-Fest im Kreis der Familie mit der gemeinsamen Lesung der Hagadah eröffnet. Offenbach versieht diese Feier mit neuen Melodien und zeitgemäßen Erläuterungen, in denen er kluge Kritik am erstarrten liturgischen und gesellschaftlichen Formen übt. Anders als bis dahin üblich, übertrug er die traditionell in Hebräisch gehaltene Schrift ins Deutsche, erläuterte sie somit bewusst verständlich für alle Juden. So leistete der Kantor einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Liturgie. Seine Hagadah gilt heute als eine der wichtigsten Quellen zum jüdischen Leben im Rheinland des 19. Jahrhunderts.
Zugänglich war dieses Buch bislang nur für sehr wenige Menschen, da es kaum noch Exemplare davon gibt. Eines der Originale wird künftig im neuen jüdischen Museum Miqua zu sehen sein. Damit das aufwendig gestaltete und gut zu lesende Werk sich wieder einem neuen Publikum öffnen kann, hat der Greven Verlag Offenbachs Hagadah jetzt in einer aufwendig gestalteten neuen Ausgabe veröffentlicht. Diese wurde von Dr. Jürgen Wilhelm und Dr. Thomas Otten herausgegeben und enthält einen hochwertigen Reprint des Originals von 1838. Dazu kommt als eigener Teil eine wissenschaftliche Einführung von Dr. Christiane Twiehaus zum Leben und Schaffen Offenbachs sowie zum religiösen Hintergrund und zum jüdischen Leben in Köln.
„Nicht nur werden Texte und Bilder der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht, die seit 1838 nicht mehr veröffentlicht wurden – vielmehr können wir nun – genau 170 Jahre nach dem Tod Isaac Offenbachs, im Nachgang des großen Offenbach-Jahres 2019 und im Vorgriff auf das große Deutsch-Jüdische Jahr 2021 – wieder eine äußerst spannende Seite der jüdischen Geschichte Kölns anknüpfen“, sagt die Autorin.
Thomas Otten, Jürgen Wilhelm (Hg.): Isaac Offenbach Hagadah oder die Erzählung von Israels Auszug aus Ägypten, Greven-Verlag, 148 Seiten, 18 Euro.