Buch-Tipp Ein ungleiches Duo im deutschen Frühling
Köln · Kölnbuch-Tipp Der neue Roman von Sebastian Thiel spielt im komplett zerstörten Köln der Nachkriegszeit.
Der Kölner Hardy Schmittgen gehört zu den Menschen, die schnell begreifen, dass am Ende des Zweiten Weltkrieges nichts mehr zu retten ist und dass die Versprechen der Nazis nichts wert waren. Vor der Stadt stehen britische und amerikanische Soldaten, die schon schnell einrücken und die Herrschaft übernehmen.
Hardy ist ein grobschlächtiger Wachtmeister – ein Polizist, der bekannt ist für seine brutalen Vernehmungsmethoden, die er oft mit seinen Fäusten durchführt. Vom steten Alkoholkonsum gezeichnet, hat er das Glück, in einer Kneipe große Schnapsvorräte zu entdecken. Die beiden ermordeten Besitzer entsorgt er kurzerhand in einer Erdgrube. Doch in Hardy gibt es nicht nur das Grobschlächtige, als er von den Besatzungstruppen zu dem Ort geführt wird, wo unzählige Juden und andere Verfolgte ermordet worden sind, lassen ihn die schrecklichen Bilder nicht mehr los. Sie erschüttern ihn mehr als seine in Trümmern liegende Heimatstadt Köln.
In Berlin ist die junge Luisa Porovnik auf dem Schwarzmarkt die Königin der Schieber. Sie ist die Meisterin des Beschaffens und des Tauschens. Gefallen lässt sich das Mädchen von Niemanden etwas. Als ihre Eltern bei einem Luftangriff getötet werden, entschließt sie sich zur Flucht nach Köln, wo ihre einzigen Verwandten eine Kneipe betreiben. Auf ihrem Weg nach Köln, wird sie brutal misshandelt und vergewaltigt – doch sie nimmt blutige Rache an den Tätern.
Ein ungleiches Duo
rettet den Kölner Domschatz
In Köln angekommen, trifft sie auf Hardy, der es sich inzwischen in der Kneipe gemütlich gemacht hat. Er wirft das Mädchen aus dem Haus, denn teilen will er seinen neuen Besitz nicht. Doch dann schrecken ihn nachts Schreie von der Straße auf. Als er aus dem Fenster schaut, erkennt er, wie ein Mann von US-Soldaten brutal zusammengeschlagen wird. Doch plötzlich stellt sich Luisa den Schlägern in den Weg. Da bleibt auch Hardy nichts anderes übrig, er muss eingreifen.
Das ungleiche Duo hat Reginald Taylor gerettet, den Verbindungsoffizier des britischen Militärgouverneurs. Und der erkennt schnell, dass seine beiden Retter für ihn und seine beruflichen Ziele eine entscheidende Bedeutung haben könnten. Zunächst schickt er Hardy und Luisa mit einem Fahrer und einem Offizier nach Franken, wo der Domschatz mit dem Altar und dem Dreikönigenschrein vermutet wird. Im Schloss einer ziemlich merkwürdigen Gräfin werden die beiden fündig, auch wenn diese alles tut, um ihren Schatz zu verteidigen.
Die Aufgaben, die Brite dem Duo gibt, werden immer gefährlicher, doch die beiden können sich immer wieder aufs Neue mit ihren Erfolgen bewähren. Als sowjetische Truppen Berlin von der Außenwelt abschließen und die Rosinenbomber im Minutentakt landen, um die eingeschlossene Bevölkerung zu versorgen, sieht Taylor die Chance, mit den beiden an in der Berliner Unterwelt verschollene Dokumente zu gelangen. Luisa und Hardy willigen ein und setzen damit etwas in Gang, was sie sich nie hätten träumen lassen. Es geht um nicht mehr als die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.
Der Roman „Deutscher Frühling“ von Sebastian Thiel (Gmeiner Verlag, 254 Seiten, 14 Euro) ist ein Stück deutsche Nachkriegsgeschichte, das spannend erzählt wird, das aber auch nicht die Augen vor den Schrecken des Krieges und der Naziherrschaft verschließt.