RJM Eine Ausstellung gegen das Vergessen
Köln · Diktatur und Krieg zerstören Menschenleben, Städte, Landschaften und materielles Erbe. Sie zerstören auch Erinnerungen, wie die Dinge einmal aussahen, wie Menschen lebten, wie reich ihre Kultur ist.
Die neue Ausstellung „Syrien – Gegen das Vergessen“, die vom 10. Juni bis 11. September im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) stattfindet, möchte dem etwas entgegensetzen.
Nicht die Diktatur des Assad-Regimes und dessen verheerender Krieg, nicht die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staats stehen im Fokus. Die Ausstellung handelt von dem Syrien, das unter all dem vergessen zu werden droht. Sie erzählt von einem Land mit jahrtausendealter Geschichte, mit einem Neben- und Miteinander unterschiedlichster Kulturen und Religionen, mit lebendigen Städten, vielfältigem Alltagsleben und vibrierender zeitgenössischer Kunst.
Kuratiert wird „Syrien – Gegen das Vergessen“ von Jabbar Abdullah, syrischer Kurator und Archäologe, mit Wohnsitz in Köln. „Mir war die Ausstellung ein Herzensanliegen. Sie richtet sich neben der syrischen Community an die deutsche Öffentlichkeit, die sich allein auf den Krieg, den IS und das zerstörte Palmyra zu konzentrieren scheint. Gleichzeitig möchte ich dem Vergessen der syrischen Kultur in den Köpfen syrischer Kinder etwas entgegensetzen. Sie haben das Land ihrer Eltern nie sehen können.“
Mit der Ausstellung begibt sich Jabbar Abdullah auf die Spuren des kulturellen Gedächtnisses Syriens. Er zeigt historische, syrische Artefakte aus deutschen Sammlungen im Dialog mit zeitgenössischen Positionen und syrischer Alltags- und Erinnerungskultur. Entlang einer Zeitachse werden die Besucher durch Zeugnisse frühester Menschheitsgeschichte unter anderem aus den Höhlen von Yabroud geführt. Sie bekommen Einblicke in die Entwicklung von Städten und einen Eindruck von unterschiedlichen Zivilisationen, die in Syrien einst lebten.
Ein zweiter Abschnitt der Ausstellung lädt ein in die Städte Aleppo, Damaskus und Raqqa, die die Besuche als „Szenen“ erleben können. Kalligraphie, Filmmaterial und 3D-Projektionen beleuchten die kulturelle Vergangenheit Syriens und seine jüngste Geschichte insbesondere in diesen kulturellen Zentren.
Über die gezeigten Objekte taucht ein neues Kapitel der syrisch-deutschen Geschichte auf, das die Frage aufwirft, wie die Objekte in die Sammlung deutscher Museen kamen. Vielfach waren es deutsche Wissenschaftler, die mit ihrer archäologischen Forschung zum Verständnis der frühen Zivilisationen im heutigen Syrien beitrugen. Zahlreiche Funde brachten sie nach Deutschland. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele davon zerstört, andere gerieten ihrerseits in Vergessenheit und werden mit der Ausstellung zum ersten Mal präsentiert. „Syrien – Gegen das Vergessen“ zeigt Besuchern den Nahen Osten aus syrischer Perspektive und öffnet Syrern einen Raum, sich ihrer ersten Heimat zu erinnern.
Die Ausstellung ist barrierefrei gestaltet. Inhalte sind zusammenfassend in Gebärdensprache, als auch in Form einer Audiodeskription zugänglich. Zudem stehen einige Exponate als 3D-gedruckte Touchtour zur Verfügung.