Schweinefleisch hat hierzulande nicht den besten Ruf. Wie kann man trotzdem mit gutem Gewissen Gerichte mit Schwein kochen und essen?
Genuss Es muss nicht immer Schnitzel sein
Köln · Das Schwein ist als Fleischlieferant durch die Massentierhaltung hierzulande in Verruf geraten. Wenn es auf den Tisch kommt, dann meist in Form von Schnitzel, Filet oder Rippen. Dabei hat das Tier kulinarisch mehr zu bieten.
Das zeigt das neue Kochbuch von Steffen Kimmig, der auf „Das ganze Schwein“ blickt.
Seine Rezepte reichen von geschmorten Bäckchen mit Zwiebel-Kräuter-Glasur, lackiertem Schweinebauch bis zu Leber Berliner Art mit Kartoffel-Nuss-Püree. Auch andere Körperteile werden verwertet wie bei den gebackenen Schweineohren mit grüner Salsa, gebackene Krapfen mit Schweineschwanz und Löwenzahnsalat oder den geschnetzelten sauren Nieren mit Majoran-Bratkartoffeln.
Internationale Gerichte und
echte Klassiker der Küche
Im Kochbuch finden sich viele internationale Gerichte wie Pfannengyros mit Pitabrot und Zaziki, Bigos mit Kartoffelbrot und Sauercreme, Pulled Pork Wrap mit Spicy Tomatoes und Avacado-Salsa, Empanadas mit Orangenfenchel und Gewürzjoghurt-Dip, Schweinefilet süßsauer mit Basmatireis, grünes Kokos-Curry mit Paprika, Romanesco und Erbsen oder karibisch gebeiztes Schweineragout.
Dazu kommen Klassiker wie der Spießbraten, Kassler mit Birne und Speck, bayerischer Krustenbraten, badisches Schäufele, Tellersülze vom Hachsenfleisch, gekochte Hämmchen, Königsberger Klopse, Schinken im Brotteig, schwäbische Maultaschen, Kohlrouladen, Currywurst, Wurstsalat oder Cordon bleu.
Zu Beginn gibt es Grundlagen wie Infos zu den Schweinerassen oder Tipps für den Kauf, die Lagerung und die Zubereitung sowie Basiswissen für die Küche, Handgriffe und Grundrezepte für Soßen und Beilagen. Am Ende berichtet der Koch von seinem Besuch auf einem Schweinehof in der Eifel. Wir haben Steffen Kimmig in der Kölner Südstadt getroffen und mit ihm über das neue Kochbuch gesprochen.
Steffen Kimmig: Ich bin mit Schweinefleisch groß geworden. Das war das Fleisch für Gerichte unter der Woche. Am Wochenende gab es dann eher Kalb oder Rind. Das Fleisch stammte von Bauern aus der Gegend. Bei uns im Dorf wurde auch noch zu Hause geschlachtet. Dabei hat man stets das ganze Tier verwertet und nicht bloß den Rücken oder das Filet. Inzwischen ist die Produktion in der Massentierhaltung regelrecht explodiert und den klassischen Metzger gibt es immer seltener. Da ist dringend ein Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit angesagt. Dazu gehört es auch aus Respekt vor dem Tier alles vom Schwein in der Küche zu nutzen. Darum geht es in meinem Kochbuch.
Woran erkenne ich die Qualität beim Schweinefleisch?
Kimmig: Fleisch aus der Massentierhaltung erkennt man am Glanz, an seiner schwammigen Konsistenz und daran, dass es beim Braten Wasser verliert. Es zieht sich zusammen und wird zäh. Das liegt zum einen an der schnellen Aufzucht der Tiere und zum anderen am Stress, den sie bei der Schlachtung haben. Für das neue Buch habe ich den Betrieb in der Eifel besucht, wo mein eigener Lieferant sein Fleisch bezieht. Der Betrieb mit seinem Schlachthaus bekommt die Schweine von verschiedenen Betrieben aus der Nähe, wo die Tiere nachhaltig gezüchtet werden. Ein Teil des dort produzierten Fleisches verkaufen die Bauern in ihren Hofläden, der andere Teil wird von der Kooperative auf dem Markt verkauft. Auf den Höfen leben die Schweine die ersten Wochen nach ihrer Geburt. Später kommen sie auf die Wiese, wo sie in Gruppen als Herdentiere leben und sich frei bewegen können. Das ist eine absolut artgerechte Haltung, die auch deutlich mehr Zeit benötigt als bei den Masttieren in der Massentierhaltung. Später werden sie dann in Gruppen zum Schlachthaus gebracht. Auch hier wird darauf geachtet, dass die Schweine keinen Stress haben.
Im Kochbuch finden sich viele internationale Rezepte.
Kimmig: Festzustellen ist, dass die Verwertung der Tiere schon innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich ist. Mit Norden und in der Mitte wird das gesamte Tier nur selten verwertet. In Süddeutschland ist das schon anders. Das verstärkt sich im südlichen Europa und in Asien gehören Ohren und Schwanz fest zur Küche. Da wird alles verarbeitet. In großen Teilen Deutschlands wird dagegen nur der Rücken, das Filet und die Keule wertgeschätzt. Der Rest landet in der Wurst oder wird als Tiernahrung verwertet. Das ist wirklich schade. Ich versuche deshalb, in meinem Kochbuch Alternativen aufzuzeigen.
Wie schwer war die Auswahl der Rezepte?
Kimmig: Das war nicht einfach, da gerade mit dem Schwein sehr viel in der Küche möglich ist. Ich hatte etwa 300 Ideen für Rezepte, aus denen ich dann 90 für das Kochbuch ausgewählt habe. Mir war wichtig, dass man die Gerichte zu Hause gut nachkochen kann – das gilt auch für die Anzahl und die Art der Zutaten. Das Buch ist ein Gebrauchsgegenstand für jeden Tag. Da zeigen auch mal Soßenflecken auf bestimmten Seiten an, dass dieses Rezept besonders gut schmeckt. Dazu kommen ein oder zwei etwas anspruchsvollere Gerichte wie das Schweinefilet im Blätterteig – das ist dann ein echtes Festtagsessen.
Gibt es Lieblingsgerichte von Ihnen im Kochbuch?
Kimmig: Dazu zählen auf jeden Fall das Szegediner Gulasch, die Sülze aus der Schweinehachse, die gerade im Sommer mit einer Marinade sehr erfrischend ist und die selbst gemachten Bratwürste.
Während Ihrer Zeit im Münchener Sternerestaurant „Tantris“ gab es besondere Erlebnisse mit dem Schwein?
Kimmig: Dazu gehörte das Spanferkel, das am Samstagmittag als halbes Tier in den Ofen kam und das dann zerlegt, abends am Tisch serviert wurde. Das war immer gut nachgefragt. Hans Haas war groß darin, wenn es darum ging, das ganze Tier in der Küche zu verwerten.
Wo bekomme ich die eher exotischen Teile wie Ohr oder Schwanz?
Kimmig: So etwas kann man beim Metzger gut vorab bestellen - es ist ja immer auf den Schlachthöfen vorhanden. Schweineohren gibt es zudem in den Asiashops als Tiefkühlware.