Ford Ford rüstet sich für die E-Zukunft
Köln · Für den Kölner Autobauer Ford steht die größte Veränderung in der Unternehmensgeschichte auf dem Plan. Zwei Milliarden Euro investiert der US-Konzern in den Umbau des Standorts in das Werk in Niehl.
Dort, wo Anfang der 1930er Jahre die erste Halle am Rheinufer gebaut wurde, entsteht gerade das erste europäische „Electrification Center“ von Ford. Auf rund 80.000 Quadratmetern Produktionsfläche werden ab dem kommenden Jahr die ersten vollelektrischen Modelle vom Band laufen. Dafür rüstet sich der Autobauer mit neuen, modernen Werkshallen, die gerade in Niehl entstehen. Genauso wichtig ist eine Schulungsoffensive der Belegschaft für das neue Zeitalter der E-Mobilität, um weiter möglichst effizient bis zu 250.000 Fahrzeuge pro Jahr bauen zu können. Ab 2024 wird in Köln dann auch noch ein weiteres E-Modell vom Band laufen.
Erste Einblicke in die innovativen Industrie-4.0-Anwendungen gab es für die Kölner Mitarbeiter bei den „Manufacturierung Techdays“. Bei dieser Technologie-Ausstellung in der historischen Halle A, die 1931 als erster Kölner Produktionsstandort eröffnet wurde, präsentieren die Experten von Ford verschiedene Innovationen aus unterschiedlichen Fertigungsbereichen, die teilweise auch in Niehl schon im Einsatz sind. Bei einigen dieser Innovationen handelt es sich um Eigenentwicklungen, die speziell auf die Anforderungen bei Ford zugeschnitten sind.
Mitarbeiter lernen mit
Hilfe von 3D-Brillen
Ein Bereich ist die sogenannte „Extended Reality“. Diese wird zum Beispiel bei praxisnahen Trainings zur Schulung von Mitarbeitern eingesetzt. Mit der Hilfe von „Augmented Reality“-Brillen, können Mitarbeiter zum Beispiel die Bedienung von Maschinen erlernen. Die Brillen erweitern den realen Blick auf die Anlage mit dreidimensionalen und interaktiven Elementen, die Hilfestellung geben. Neben der visuellen Unterstützung wie zum Beispiel durch Pfeile oder Computeroberflächen gibt es auch akustische Erklärungen. Auszubildende können zudem mit speziellen Hightech-Brillen auch das Schweißen erlernen, ohne dabei reales Material und Energie zu verbrauchen. Außerdem können bei bestimmten Prozessen auch Kollegen und Experten aus anderen Werken oder Bereichen sowie Erklärvideos dazu geschaltet werden.
Ein anderer Bereich sind die sogenannten Cobots – kollaborierende, kraftsensive Leichtroboter, die dank integrierter Kraftmoment-Sensoren ohne zusätzliche Schutzeinrichtungen Mitarbeiter unterstützen. Diese nehmen zum Beispiel körperlich beeinträchtigten Beschäftigten körperliche Belastung ab. Eingesetzt werden diese bereits im Kölner Motorenwerk und in der Türenstraße der Fiesta-Endmontage. Die nächste Entwicklungsstufe stellen die kognitiven Roboter dar, die mit noch mehr Sensoren wie Kameras und künstlicher Intelligenz aufgerüstet worden sind. Sie können ihre Umgebung erfassen und auf potenzielle Gefahren eigenständig reagieren.
Roboter kommen auch bei mobilen Transportsystemen zum Einsatz. Die AMRs (Autonomous Mobile Robots) wird die Route des Roboters per Tablet vordefiniert oder der Roboter navigiert frei und sucht sich selbst die effizienteste Route aus. Er erkennt auch mögliche Hindernisse und weicht diesen eigenständig aus. Möglich ist auch, dass sich die AMR eigenständig be- und entladen. Eine weitere Hilfe bei der Produktion stellen die sogenannten „APS-Racks“ dar. Diese stapeln und transportieren scharfkantige und schwere Bauteile und bringen sie zu den verschiedenen Produktionsstufen, sodass die Teile zwischen der Blechrolle bis zur fertigen Karosserie nicht mehr von Mitarbeitern angefasst werden müssen.
Ein anderes System erfasst mit Kameras fehlerhafte Produkte in den Bereichen, wo diese sich in der Produktion häufen. Das System wird mit Bildern trainiert und erkennt so Fehler, über die es über entsprechende Alarmsignale die Mitarbeiter informiert und sensibilisiert. Zum Einsatz kommen bei Ford zudem sogenannte Exosklette. Das sind äußere Stützstrukturen, die Mitarbeiter individuell mechanisch unterstützen und damit mögliche Gefahren oder ergonomische Fehlleistungen bei bestimmten Arbeiten vermeiden. Das gilt für Arbeiten über Kopf oder Arbeiten, bei denen sich die Beschäftigten nach vorne beugen müssen.
Neben dieser innovativen Technologie wird auch die Gebäudestruktur des Niehler Werks den Anforderungen von E-Fahrzeugen angepasst. Das wird notwendig, da diese anders strukturiert sind als Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. So sind E-Fahrzeuge 40 bis 50 Prozent schwerer. Das bedeutet, dass die Transportsysteme im Werk auf die höhere Last angepasst werden müssen. Auch beim Aufbringen des Korrosionsschutzes haben diese andere Eigenschaften, sodass dieser Speziallack aufgebracht wird, indem die gesamte Karosserie in ein Tauchbad eingebracht wird. Für diesen aufwendigen Prozess wird gerade eine komplett neue Halle gebaut.
Dazu kommt, dass der Unterboden der E-Fahrzeuge deutlich massiver und schwerer ist, da er der Batterie im Fahrzeug bei einem möglichen Crash einen besseren Schutz bieten soll. Dazu wird die bisherige T1-Halle gerade um 12.000 Quadratmeter erweitert und kommt so künftig auf eine Produktionsfläche von 20.000 Quadratmetern. Dort wird der Unterboden der E-Fahrzeuge ab 2023 in einem hochautomatisierten Verfahren aufgebaut.