Corona „Der Kölner Dom ist ein Sinnbild für die Hoffnung schlechthin“

Wie erleben Sie als Dombaumeister derzeit die Situation im zweiten Lockdown?

Seit fünf Jahren ist Peter Füssenich der Kölner Dombaumeister.

Foto: Hohe Domkirche Köln, Dombauhüt/Mira Unkelbach

Peter Füssenich: Wie alle anderen Menschen war ich genauso überrascht, welche Folgen die Pandemie für unser Leben mit sich gebracht hat. Das hat natürlich auch die Dombauhütte mit ihren 97 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betroffen. Wir haben die Hygieneregeln vom Abstand halten bis zum mobilen Arbeiten konsequent umgesetzt und sind so bislang gut durch die Pandemie gekommen. Es gab bei uns keinen einzigen Infektionsfall, der sich im Betrieb ereignet hätte. Das verdanken wir auch der großen Disziplin unserer Mitarbeitenden. Wir mussten uns außerdem daran gewöhnen, dass für die Arbeit am Dom wichtigen Besprechungen in der gewohnten Form nicht möglich sind und haben uns entsprechend mit Laptops und Webcams technisch ausgerüstet.

Konnten Sie die Zeit im Lockdown für sich nutzen?

Füssenich: Wir konnten Arbeiten durchführen, die in normalen Zeiten mit den Besuchern so nicht möglich gewesen wären. Üblicherweise haben wir bis zu 20.000 Besucher pro Tag im Dom und dazu tausende Menschen, die den Südturm besteigen. Im leeren Dom konnten wir zum Beispiel das Mosaik im Binnenchor und dem Chorumgang begutachten, restaurieren und reinigen. Das ist das größte Flächenkunstwerk im Dom. Wir haben die Stufen der Wendeltreppe im Turm ausgebessert und eine externe Firma hat die Wände dort von teils Jahrzehnte alten Schmierereien befreit. Uns wurde gesagt, dass die von der Fläche her wohl die größte Entfernung von Graffiti in Europa gewesen sei. Außerdem konnten wir helfen, dass die Gottesdienste im Dom unter den Hygienebedingungen der Pandemie stattfinden konnten, indem wir Plexiglaswände für die Spende der Kommunion gebaut haben. 

Wie fühlt es für Sie an durch den leeren Dom zu gehen?

Füssenich: Ich habe als Dombaumeister das Privileg, den Dom auch dann betreten zu können, wenn kein Mensch da ist – zum Beispiel am Abend. Das war jetzt auch tagsüber möglich. Es ist ein erhabenes Gefühl ganz alleine in so einem Raum zu stehen. Allerdings vermissen wir die Besucher schon sehr und freuen uns auf ihre Rückkehr. 

Wie sieht es mit der Spendenbereitschaft für den Dom in Krisenzeiten aus?

Füssenich: Wir hatten die Befürchtung, dass sich die Krise finanziell auswirken könnte. Die Hohe Domkirche hat etwa durch die wesentlich geringeren Besucherzahlen einen erheblichen Rückgang an Spendengeldern und Führungseinnahmen zu verzeichnen. Die Dombauhütte ist davon zum Glück bisher weniger betroffen. Wir haben im Zentraldombauverein (ZDV) sehr treue Dombaufreunde. Dort gibt es 17.800 Mitglieder und es gab in der Krise keine nennenswerten Austritte. Dazu kamen einzelne Stifter, die gezielte Hilfe für den Dom angeboten haben. Das gibt uns die Chance, wichtige Projekte beim Dom anzupacken. Ohne den ZDV wäre unsere Arbeit so nicht möglich. Dennoch gibt es einen Verlust in sechsstelliger Höhe aufgrund der fehlenden Einnahmen aus Sonderführungen der Dombauhütte. 

Welche Bedeutung hat der Dom für die Menschen in Krisenzeiten?

Füssenich: Der Dom ist das Sinnbild für Hoffnung schlechthin. Das war schon zu der Zeit so, als man ihn gebaut hat. Da gab es die Hoffnung, dass der Dom irgendwann fertig werden würde, sonst hätte man damit erst gar nicht begonnen. Wenn Menschen, die jetzt zu Hause sein müssen, vom Fester aus die Domspitzen sehen, gibt es für sie die Hoffnung, dass das Ganze irgendwann wieder zu Ende geht. Der Dom ist ein Symbol, dass man etwas gemeinsam schaffen kann, wenn man nur zusammenhält. Der Dom ist für die Gottesdienste mit einer beschränkten Anzahl an Plätzen weiter geöffnet. Diese werden mit dem Domradio jetzt in alle Welt übertragen. Das gilt auch für Orgelkonzerte und Lesungen. Dazu kommen kleine Highlights wie Konzerte von Kasalla und Michael Patrick Kelly, die im Dom aufgezeichnet worden sind. 

Welche Rolle spielt das Digitale für den Dom?

Füssenich: Über die sozialen Medien sowie die Website des Doms und der Dombauhütte erzählen wir Geschichten aus dem Dom, informieren über Veranstaltungen und bieten auch virtuelle Rundgänge an. Jeden Montag gibt es zum Beispiel in den sozialen Medien einen aktuellen Bericht über die Arbeit in der Dombauhütte. Wir bekommen dort sehr viel positive Rückmeldungen. Wir haben inzwischen eine große Online-Gemeinde, die zum Beispiel auch die Dom-App nutzt. 

Wie nutzen Sie das Digitale bei Ihrer täglichen Arbeit?

Füssenich: Ganz grundsätzlich ist die Digitalisierung seit langem ein wichtiger Aspekt für unsere Arbeit und wird es in Zukunft noch zunehmend sein. Sie betrifft zum einen die Digitalisierung unserer Archivbestände, vor allem der historischen Pläne, Fotografien und Archivalien, aber auch der Inventarisation der archäologischen Befunde und Funde sowie der Kunstwerke des Domes und der Domschatzkammer. Auch die Schadens- und Maßnahmenkartierung der Restaurierungsarbeiten erfolgen seit einiger Zeit digital. Wir haben im vergangenen Jahr begonnen, den Dom mithilfe von Drohnen sehr exakt zu vermessen und mit hochauflösenden Aufnahmen fotografisch zu dokumentieren, um so ein 3-D-Modell, quasi einen digitalen Zwilling des Domes, zu erstellen. Hiervon erhoffen wir uns bei der Schadensanalyse sowie bei der Vorbereitung und Dokumentation der Restaurierungsarbeiten eine große Hilfe. 

Welche Projekte stehen im Dom für dieses Jahr an?

Füssenich: Nach zehn Jahren konnten wir die Arbeiten an der Nordwestecke des Nordturms abschließen. Im Sommer nehmen wird das Gerüst mithilfe eines gewaltigen Krans ab. So sind beide Domtürme nach über zehn Jahren wieder fast komplett frei von Gerüsten. Am ältesten Teil des Domes, den Chorkapellen, führen wir derzeit eine Mustersanierung am dort verbauten Drachenfelstrachyt aus. Das ist eine besondere Herausforderung, für die wir unter anderem mit der Xantener Dombauhütte und dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zusammenarbeiten. Die Ersatzsteine stammen aus einem italienischen Trachytsteinbruch. Dazu kommt die Restaurierung des Strebewerks an der Südseite, die uns sicher noch bis 2060/70 beschäftigen wird. Eine weitere Baustelle ist die Südquerhaus-Fassade, bei der zurzeit der Pfeiler neben dem östlichen Portal eingerüstet ist. Auch beim Michaelportal gehen die Arbeiten weiter, wo wir noch immer noch Kriegsschäden beseitigen. Wichtig ist für uns das regelmäßige Monitoring am Dom, um zum Beispiel mögliche Steinabstürze rechtzeitig erkennen und verhindern zu können. Im Innenraum geht es unter anderem um die Restaurierung der Fenster im südlichen Querhaus, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Neu gestaltet wird außerdem die Außenbeleuchtung des Doms, wo in der Zukunft LED-Leuchten zum Einsatz kommen. 

Sie sind seit fünf Jahren Dombaumeister. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Füssenich: Ich habe es nie bereut, diese Aufgabe übernommen zu haben. Das ist ein Geschenk, für das ich dankbar bin. Jetzt schaue ich zuversichtlich und gespannt auf die Zukunft der Dombauhütte. Ich denke, wir sind für die Aufgaben in der näheren Zukunft gut aufgestellt. 

Die Neugestaltung der Domumgebung schreitet voran.

Füssenich: Was dieses Thema angeht, haben wir als Verantwortliche des Doms ein großes Interesse. Uns liegt ein würdiges Umfeld für den Dom sehr am Herzen. Die ersten Schritte an der Ostseite sind geglückt. Zurzeit laufen die Planungen zur Neugestaltung an der Nordseite zwischen Domtreppe und Köln-Tourismus. In den kommenden zehn Jahren wird es erhebliche Veränderungen zum Positiven bei der Domumgebung geben. Dazu zählt die Neugestaltung des Domhotels und des Laurenz-Carré genauso wie der Neubau Historische Mitte und die Instandsetzung des Römisch-Germanische Museums. Ein Wunsch von mir wäre, dass auch endlich an der Westseite im Bereich der Kreuzblume etwas passiert. Da ist die Gestaltung der Fläche nach wie vor sehr chaotisch. Wichtig ist zudem der Managementplan für den Dom, der von der Unesco für jede Welterbestätte vorgeschrieben ist. Hier arbeiten wir mit der Stadt zusammen. Man muss den Dom bei allen städtebaulichen Vorhaben im Blick haben, das gilt insbesondere bei der Entwicklung eines Höhenkonzepts für die gesamte Stadt. Hier darf es keine Beeinträchtigung des Doms als Wahrzeichen Kölns geben.