Umfrage Politische Weltlage und Bürokratie lähmen die regionale Wirtschaft
Köln · Die Unternehmen in der Kölner Region blicken mit Sorge in die Zukunft. Die Antworten der Betriebe spiegeln Verunsicherung wegen der unklaren und zögerlichen politischen Weichenstellungen und Frust über Bürokratie und Langsamkeit von Verwaltungsprozessen.
„Die Unternehmen können mitten in der Energiekrise nicht planen, sie wissen nicht, welche Belastungen auf sie zukommen und welche Energie ihnen morgen noch zur Verfügung steht. Bürokratie und Regulierungen behindern die Unternehmen, sich zügig auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Diehohe Inflation, die Zurückhaltung der Kunden und der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel spielen daneben eine wichtige, aber eher nachgelagerte Rolle“, sagt Eva Babatz, Leiterin der Geschäftsstelle Leverkusen/Rhein-Berg der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln. „Unternehmen sind es gewohnt, mit Marktveränderungen umzugehen und sich anzupassen. Nicht kalkulierbare politische Risiken, allenthalben hemmende Regeln und bürokratische Hürden bringen sie besonders in Krisenzeiten an den Rand der Verzweiflung. Gerade jetzt kommt es auf Flexibilität und Geschwindigkeit an“, sagt Babatz.
Mangelndes Vertrauen in die Politik dämpft Erwartungen
So das Fazit der IHK Köln zu den Ergebnissen der aktuellen Herbst-Umfrage zur Konjunktur. Die Befragung wurde vom 19. September bis 7. Oktober durchgeführt. Obwohl die gegenwärtige Lage zurzeit mehrheitlich noch als gut bewertet wird, dämpft das mangelnde Zutrauen in die politische Handlungsfähigkeit die Geschäftserwartungen deutlich. Dazu gehören die Unsicherheit beim Thema Energie, die Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine, die hohe Inflation, der Einbruch der Konsumlaune, steigende Zinsen und vor allem die fehlende Planungssicherheit.
Das Konjunkturklima in der Region ist im Herbst erneut deutlich schlechter ausgefallen. So ist der Konjunkturklimaindex seit der Vorumfrage im Frühjahr 2022 von 97,7 Punkten auf 78,5 Punkte gesunken. Der Indikator liegt damit deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 110,1 Punkten. Der Erholungsprozess der Wirtschaft nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist drastisch gestoppt worden.
Trotz der enormen Herausforderungen für alle Wirtschaftsbereiche meldet rund jedes dritte Unternehmen eine gute, jedes fünfte eine schlechte Geschäftslage. Aber es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen: Von der Energiekrise sind besonders energieintensive Industriebetriebe betroffen, die anhaltende Konsumzurückhaltung trifft vor allem den Handel und die Veranstaltungswirtschaft. Lichtblicke gibt es im Hotel- und Gaststättengewerbe, das sich über den Sommer erholen konnte, gleichwohl nervös auf die Coronaentwicklung im Winterhalbjahr schaut.
Die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate sind im Vergleich zur Vorumfrage von minus 16,1 Punkte auf minus 43,8 Punkte drastisch gesunken. Die Erwartungen liegen dramatisch unter dem langjährigen Durchschnitt von 4,5 Punkten. Mehr als die Hälfte der Unternehmen erwartet in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung der eigenen Geschäftslage. Lediglich acht Prozent rechnen mit einer Verbesserung. Industrie und Handel blicken besonders pessimistisch in die Zukunft. 54 Prozent der Industrieunternehmen und 58 Prozent der Handelsunternehmen gehen von einer Verschlechterung aus.
Sogar in den Branchen, die ihre Lage aktuell als mehrheitlich gut einschätzen, wie zum Beispiel im Baugewerbe, Maschinenbau oder Hotel- und Gaststättengewerbe, sind die Erwartungen in der Mehrzahl negativ. So wirken sich zum Beispiel steigende Bauzinsen negativ auf das Baugewerbe aus. Im Groß- und Einzelhandel macht die sinkende Konsumlaune den Betrieben zu schaffen.
Hauptrisiko für die Betriebe bleiben die Energie- und Rohstoffpreise (85 Prozent). Direkt dahinter steht der Fachkräftemangel als großes Risiko für die geschäftliche Entwicklung (63 Prozent). Im Vergleich zur Vorumfrage sind alle bewerteten Risiken angestiegen oder unverändert. Besonders angestiegen ist das Risiko der Inlandsnachfrage, das aufgrund der eingebrochenen Konsumlaune ein Plus von 20 Prozentpunkten verzeichnet. Auch steigende Arbeitskosten werden angesichts der gestiegenen Inflationsraten in Kombination mit dem existierenden Fachkräftemangel von mehr als der Hälfte der Unternehmen als Risiko gesehen.
Die Investitionsabsichten der Unternehmen sind deutlich gesunken – um etwa 13 Punkte im Vergleich zur Vorumfrage. Fast 40 Prozent der Industrieunternehmen gehen von sinkenden Investitionsausgaben aus. Mehr Investitionen planen jedes zweite Unternehmen des Verkehrssektors sowie des Hotel- und Gaststättengewerbes. Insgesamt geht jedes dritte Unternehmen von geringeren Investitionen aus, jeder vierte Betrieb will mehr investieren.
Hauptmotiv ist dabei Ersatzbedarf, die Rationalisierung als Motiv hat an Bedeutung gewonnen: 35 Prozent der Unternehmen geben diesen Grund an. 23 Prozent der Betriebe sehen im Umweltschutz ein wichtiges Investitionsmotiv, das sind fünf Prozent weniger als in der Vorumfrage. An dieser Stelle zeigt sich das Dilemma der Betriebe: Auf der einen Seite sind zur Transformation vieler Produktionsprozesse Investitionen nötig, auf der anderen Seite drücken Rezessionssorgen.
Gegenüber dem Frühjahr ist der Indikator um insgesamt zwölf Punkte deutlich gesunken. Insgesamt 19 Prozent der Unternehmen planen Neueinstellungen, 23 Prozent möchten Stellen abbauen. Positive Signale gibt es aus dem Maschinenbau, der Informationswirtschaft und dem Verkehrssektor. Angesichts des hohen Wettbewerbs um Fach- und Arbeitskräfte ist insgesamt nicht von einem größeren Beschäftigungsabbau auszugehen.