Interview Theater am Dom: „Das ist für uns eine Katastrophe“

Oliver Durek leitet mit René Heinersdorff das Theater am Dom. Im Interview spricht er über die Folgen der Corona-Krise für sein Haus und für die private Theaterszene.

Oliver Durek ist gemeinsam mit René Heinersdforff der Chef im Theater am Dom.

Foto: Theater/TaD

Wie erleben Sie Köln im Moment?

Oliver Durek: Ich erlebe eine leere Stadt, was einerseits erfreulich ist, weil sich die Menschen an die Vorgaben halten, andererseits hat es aber auch etwas Gespenstisches. Gut ist, dass meine Familie und ich gesund sind und dass das gute Wetter mit Sonnenschein und blauem Himmel psychologisch in der Krise helfen. Ich bin von meiner Grundeinstellung her ein positiver Mensch und bewahre mir auch in der Krise meinen Optimismus. Jetzt muss man schauen, wie man die Probleme lösen kann, und hoffen, dass es bald Lockerungen gibt und die Menschen sich wieder treffen können.

Welche Herausforderung gibt es für Sie als Theatermacher derzeit?

Durek: Wir sind ein privates Theater, das keine Fördermittel bekommt. Deshalb sind wir zu 100 Prozent auf den Kartenverkauf angewiesen. Jetzt gibt es seit Mitte März das Spielverbot, das zunächst bis zum 3. Mai bestehen bleibt. Dass es danach wieder losgeht, ist ziemlich ungewiss. Das bedeutet, dass wir aktuell von jeglichen Einnahmen abgeschnitten sind. Das ist eine katastrophale Situation. Wir spielen normalerweise täglich außer montags. Alleine bis zum 19. April sind 34 Vorstellungen ausgefallen. Betrifft es auch noch das nächste neue Stück, sind es mehr als 100 Vorstellungen. Wir wissen nicht, wie das gehen soll. Es gibt zwar einen Fond der Stadt für die subventionierten Bühnen. Für die privaten nicht subventionierten Theater wie uns, gibt es aber derzeit keine Hilfen. Das wird zum Problem für uns, da wir ja noch laufende Kosten haben und wir mit der Liquidität schnell an die Grenzen kommen. Die Mitarbeiter und Schauspieler sind inzwischen in Kurzarbeit. Wir brauchen dringend Unterstützung. Das Theater am Dom ist das älteste Privattheater Kölns und mit 80.000 Besuchern nach Oper und Schauspiel auch das meistbesuchte mit einem sehr großen Einzugsgebiet. Wir sind in Köln eine Institution und das seit mehr als 60 Jahren.

Wie geht es weiter?

Durek: Das kann im Moment niemand sagen. Es ist deshalb sehr schwer, zu planen und das in einer Zeit, in der wir auch schon auf die kommende Spielzeit blicken und dafür planen müssen. Man fragt sich auch, wie ein Theaterbesuch künftig aussehen wird. Müssen alle Besucher Mundschutz tragen und muss der Mindestabstand durch freie Sitze eingehalten werden. Das ist gerade bei uns wichtig, da wir auch viele ältere Besucher haben, die uns seit Jahrzehnten die Treue halten. Da fragt es sich, wenn wir nur noch ein Drittel der Kapazität im Theater nutzen können, ob das überhaupt noch rentabel ist. Kopfzerbrechen bereitet uns auch die Planung des künftigen Abonnements, die für das Theater eine ganz zentrale Bedeutung hat.

Gibt es die Hoffnung auf staatliche Mittel?

Durek: Da ist für uns derzeit nur die einmalige Soforthilfe möglich, die wir auch schon beantragt haben. Ansonsten gibt es aktuell keine Fördertöpfe für private Theater. Auch die Kreditvergabe über die KfW ist problematisch. Da geht es trotz der Haftungsfreistellung der KfW ja auch immer wieder um persönliche Haftungsübernahmen und dann muss das Geld ja auch zurückgezahlt werden. Das ist in einer Zeit, in der man nicht weiß wann und wie man wieder Geld verdienen kann, ein schwieriges Unterfangen. Ich glaube auch, dass es in jedem Fall Zeit brauchen wird, bis das Publikum nach der Wiedereröffnung seine Ängste vor Ansteckung überwindet und in die Theater zurückkommt. Ich befürchte deshalb, dass es in Deutschland, ohne Hilfe der Politik, ein großes Theatersterben der nicht subventionierten Privattheater geben wird, was nicht sein darf, denn auch die privaten Unterhaltungstheater gehören zur Daseinsvorsorge und zu den Grundbedürfnissen der Menschen.

Wie sieht gerade Ihr Alltag im Theater aus?

Durek: Ich beschäftige mich mit all den Szenarien, wenn die „Normalität“ wieder zurückkehren wird. Solange muss ich den Betrieb über Wasser halten und versuchen mit Stundungen unter anderem unsere Liquidität aufrechtzuerhalten. Es gibt dazu einen intensiven Austausch mit Privattheaterkollegen aus anderen Städten. Es muss vieles weiterlaufen, damit wir alles für die Zukunft auf den Weg bekommen.

Wie ist das Feedback des Publikums?

Durek: Bei der Rückforderung der Eintrittsgelder für ausgefallene Vorstellungen hält sich unser Publikum derzeit zurück, wofür wir sehr dankbar sind. Die Karten für die ausfallenden Vorstellungen gelten als Gutscheine für kommende Termine. Ansonsten erfahren wir auch viel Zuspruch und werden aufgefordert, durchzuhalten. Da gibt es viele aufmunternde Reaktionen.

Wie sieht es bei den Schauspielern aus?

Durek: Die sind in einer schwierigen Situation. Aktuell bekommen sie noch Kurzarbeitergeld. Läuft der Vertrag als Gastschauspieler aus, werden sie aber arbeitslos und das in einer Zeit in der viele künftige Projekte und Engagements platzen. Es wird auch ziemlich schwierig werden mit Schauspielern zu planen, wenn es wieder losgeht. Dann muss man erst einmal feststellen wer gerade wo und für wie lange bei einer Bühne unter Vertrag steht und ob und wann dann Produktionen, die vorproduziert sind, überhaupt in dieser Konstellation stattfinden können. Das muss alles koordiniert werden, was absolut nicht einfach werden wird.

Gibt es jetzt auch die Möglichkeit, Gutscheine für das Theater am Dom online zu kaufen?

Durek: Ja, die gibt es auf unserer Website und das ist etwas, was uns als Theater auf jeden Fall weiterhilft. Natürlich nutzen viele Besucher schon jetzt gekauften Karten für ausgefallene Vorstellungen als Gutscheine. Auch dafür sind wir sehr dankbar.

Wie wird sich Kulturszene Kölns verändern?

Durek: Das hängt ganz entscheidend davon ab, wie lange die Krise noch andauert. Und da gibt es Szenarien, die davon ausgehen, dass es vor Juni/Juli nicht wieder losgehen wird. Andere sprechen von Neustart erst in der neuen Spielzeit und wieder andere rechnen mit mehr als sechs Monaten Zwangspause. Abgesehen davon kann man auch nicht ausschließen, dass im Herbst die nächste Corona-Welle kommt und dann wieder alles, was bis dahin geöffnet hatte, wieder schließen muss. Feststeht auf jeden Fall, je länger das Ganze dauert, umso schwieriger wird es. Das gilt insbesondere für die private und freie Kulturszene, die ohne Subventionen überleben muss. Da gibt es im Moment viele Ungewissheit und entsprechend große Sorgen.

Wie gehen Sie privat mit der Krise um?

Durek: Ich versuche, die Hoffnung nicht zu verlieren und bleibe optimistisch. Ansonsten gehe ich so wenig wie möglich raus und vermeide soziale Kontakte. Ich versuche jetzt aus dem Homeoffice so viel wie möglich für das Theater zu machen, damit es später weitergehen kann. Gut tun privat aktuell Spaziergänge und die Familie oder auch Bücher, die man schon lange mal lesen wollte.