Bühne Urkölsches Puppenspiel zeigt Haltung

Köln · Das Hänneschen-Theater in der Altstadt feiert in diesem Jahr ein besonderes kölsches Jubiläum und kann auf eine 222-jährige Geschichte zurückblicken. Wir haben mit Mareike Marx gesprochen, die im November 2022 als Intendantin die Leitung des Puppenspiels übernommen hat.

Mareike Marx ist seit dem November 2022 Intendantin des Hänneschen-Theaters, das in diesem Jahr sein 222-jähriges Bestehen feiert.

Foto: step/Eppinger

Was hat Sie gereizt, vor gut einem Jahr als neue Intendantin im Hänneschen einzusteigen?

Mareike Marx: Ich habe mich in der Stellenbeschreibung direkt wiedererkannt. Ich kann Erfahrung in der Leitung eines Theaters vorweisen, ich komme aus Köln und kenne die kölsche Seele. Außerdem war es damals genau der richtige Zeitpunkt, um etwas Neues zu beginnen. In dem von mir gegründeten Metropol-Theater hat alles ab einem bestimmten Punkt sehr gut funktioniert und ich konnte mich neuen Herausforderungen stellen. Intendantin im Hänneschen zu sein, ist eine so aufregende wie auch vielseitige Aufgabe.

Wie würden Sie das Hänneschen als Theater beschreiben?

Marx: Dieses Theater bietet eine besondere Mischung: Es ist urkölsch und steht für ein uriges und gemütliches Heimatgefühl. Zum Hänneschen gehören aber auch die frechen Kommentare zum aktuellen Geschehen. Damit zeigt das Haus seine Haltung. Das war schon bei der Gründung 1802 genauso der Fall.

Wie schwer ist es, in so einem Haus, die richtige Balance zwischen der Tradition und der Zukunft zu finden?

Marx: Kölsche Typen wie Tünnes und Schäl sind ein fester Bestandteil des Hänneschen, das sollte man unbedingt so beibehalten, auch wenn sich diese weiterentwickeln und mit der Zeit verändern. Man sollte das Ensemble der Figuren aber nicht nur wegen politischer Ansichten plötzlich umbauen und ergänzen. Natürlich kommen bei den Stücken immer wieder neue Figuren auf die Bühne, die sich im Laufe der Zeit auch bewähren und sich so nach und nach etablieren können. Das macht auch die Besonderheit dieses Theater seit 222 Jahren aus.

Inwieweit spiegeln diese Figuren die Mentalität der Stadt und ihrer Bewohner wider?

Marx: Jede Type bei uns auf der Bühne stellt etwas dar, was die Kölner ausmacht. Der Tünnes steht so für den bäuerlich, einfachen Menschen und stammt aus einer Zeit, in der Köln noch deutlich dörflicher war. Der Schäl will ein Großstadtmensch sein, ist verschlagen, klüngelt gerne und verfügt aber dabei eher über eine nicht gerade vollkommene Bildung. In den Erwachsenenstücken stehen Hänneschen und Bärbelchen für die jungen Helden. In den Kinderstücken stehen die beiden zusammen mit Köbeschen und Röschen für die kölschen Pänz. Als Kind habe ich mich bei den Theaterbesuchen sehr mit dem Bärbelchen identifiziert. Unsere treuen Besucher kennen diese Figuren ganz genau und haben ein Verhältnis zu ihnen aufgebaut. Das ist fast so, wie wenn man die eigene Familie besucht und dort auf die Verwandten trifft.

Wann waren Sie das erste Mal im Hänneschen-Theater?

Marx: Das ist schon lange her. Da war ich vielleicht fünf Jahre alt. Meine Eltern haben sehr viel Wert daraufgelegt, mir und meinen Geschwistern Theaterbesuche zu ermöglichen. Auch heute ist das Theater in der digitalen Welt gerade für Kinder sehr wichtig. Im Fernsehen und im Internet treffen die Menschen auf sie von den Streamingdiensten und Plattform maßgeschneiderte Angebote. So eine Bevormundung stellt für mich auch eine Gefahr für die Demokratie dar. Das Theater hat dagegen eine große Kraft, die auch Spaltungen und Grenzen der zunehmenden Vereinzelung des Menschen überwinden kann. Bei uns kommt man im Publikum zusammen und erlebt gemeinsam das Geschehen auf der Bühne. Man erlebt vom Menschen mit echter Arbeit geschaffene Puppen und ein wunderschönes Bühnenbild. So etwas muss unbedingt erhalten werden.

Wie schwer ist es, dafür den geeigneten Nachwuchs zu finden?

Marx: Das ist nicht immer ganz einfach, weil die Puppenspieler auch bestimmte Voraussetzungen mitbringen müssen. Man muss musikalisch sein, braucht eine wandelbare Stimme und sollte Kölsch gut und schön beherrschen. Ein weiteres Kriterium ist die Körpergröße. Puppenspieler dürfen nicht größer sein als 1,80 Meter, da sie sonst hinter der Britz zu sehen sind. Alles ist genau auf dieses Maß eingerichtet.

Wie wichtig ist Kölsch für das Hänneschen und wie wichtig ist das Theater für die Mundart?

Marx: Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Es ist ganz essenziell, dass die Figuren Kölsch sprechen. So leisten wir auch unseren Beitrag zum Erhalt der Mundart. Das weiß unser Publikum sehr zu schätzen.

Und trotzdem kommen auch nationale und internationale Gäste ins Theater.

Marx: Ich hatte zu Gästen aus China einen privaten Kontakt und konnte mich so nach dem Besuch persönlich erkundigen, wie es den Gästen an dem Abend gefallen hat. Sie haben natürlich kein Wort verstanden, waren aber trotzdem sehr berührt. Zum einen kennt man in China das Puppentheater und kennt auch die Kunstfertigkeit der Puppenspieler. Außerdem werden die Menschen von der Musik und von der Stimmung im Theater mitgenommen.

Wie wird das Jubiläumsjahr zum 222-jährigen Bestehen im Hänneschen gefeiert?

Marx: Während des Karnevals gab es Auftritte bei der Prinzenproklamation und in der Philharmonie. Außerdem waren wir mit einem eigenen Wagen im Zoch unterwegs, auf dem wir auch unsere OB begrüßen konnten. Am 24. und 25. August gibt es auf dem Eisenmarkt ein großes Jubiläumsfest, das in diesem Jahr ausnahmsweise die Hänneschen-Kirmes ersetzen wird. Dazu kommt ein gemeinsames Familien- und Kinderstück mit Kasalla, die persönlich vor Ort sein werden, die aber auch als Puppen zu erleben sind. Am 15. März feiert unser Jubiläumsstück seine Premiere. Dieses konzentriert sich ganz auf unsere Stars und zeigt auch Seiten von Tünnes, Schäl, Hänneschen oder Bärbelchen, die man so noch nicht kannte. Dazu kommt eine gemeinsame Tour mit dem Gürzenich-Orchester, bei der wir mit „Dornröschen“ die Bürgerzentren in den Veedeln besuchen werden. Besonders freue ich mich auf mein erstes Stück im Hänneschen, das als Kinderstück unter dem Titel „Hänneschen im Schlaraffenland“ am 12. April seine Premiere feiern wird.