Lindner versus Galow: Der Politstar und das Greenhorn
Christian Lindner (FDP) und Mike Galow (Piraten) kommen aus derselben Stadt und haben dasselbe Ziel: den Landtag. Aber wer ist eigentlich der Jäger und wer der Gejagte?
Burscheid. Mike Galow wirkt ein bisschen abgehetzt. Eigentlich hatte er früher da sein wollen, aber das hat nicht geklappt. Mit dem Linienbus ist er nach Burscheid gekommen, einen Führerschein hat er nicht. Jetzt will er beim Stammtisch in den Bergischen Stuben für die Sache der Piratenpartei werben. Irgendwann am Abend rutscht dem gelernten Bürokaufmann auf Arbeitssuche und frischen Landtagskandidaten der Satz raus: „Ich bin zeitlich total überfordert.“
Eine solche Blöße würde sich Christian Lindner nie geben. Als er am selben Abend nach einem langen Wahlkampftag am Megaphon zum „Gespräch vor Mitternacht“ eintrifft, lässt er sich die Anstrengung nicht anmerken. Ein freundliches Lächeln, ein kleiner Smalltalk hier und dort mit bekannten Gesichtern.
Dass dem FDP-Spitzenkandidaten derzeit keinerlei Raum für Privates bleibt, packt er beim Gespräch auf der Bühne professionell in einen Merksatz der Leistungsfähigkeit: „Bis zum 13. Mai gibt’s mich nur beruflich.“ Auch Lindner ist mit dem Bus angereist — aber seinem eigenen. Ein hochmodernes Gefährt, abgedunkelte Scheiben, genügend Platz für den Journalistentross im Schlepptau. 880 000 Euro steckt die FDP in ihren kreditfinanzierten Kampf gegen den Abstieg. Die Piraten wollen den Aufstieg in den Landtag mit 120 000 Euro möglich machen.
Galow und Lindner sind sich sehr nahe. Beide sind in Wermelskirchen aufgewachsen. Gerade mal zwei Lebensjahre liegen zwischen ihnen. Beide kämpfen im selben Wahlkreis um Stimmen für den Landtag.
Und Galow und Lindner sind sich unendlich fern. Ein Greenhorn der eine, ein Politstar der andere. Persönlich sind sie sich noch nie begegnet. Und auch im neu gewählten Landtag wird das nicht der Fall sein. Sollte Hoffnungsträger Lindner das Wunder gelingen, seine Partei doch noch über die Fünfprozenthürde zu hieven, will er sein Bundestagsmandat niederlegen und Fraktionsvorsitzender in Düsseldorf werden.
Für Galow dagegen hält CDU-Kandidat Rainer Deppe beim Rennen um das Direktmandat im Nordkreis „alle Trümpfe in der Hand“. Und er selbst lehne es ab, sich „hintenrum über die Landesliste abzusichern“. Nicht alle Piraten teilen diese Ansicht, aber Galow wird den Landtag nicht von innen sehen.
Ihm kommt es darauf aber auch nicht an. „Wenn die Piraten drittstärkste Partei werden, haben wir verdammt gute Arbeit geleistet.“ In Berlin sind sie auf Platz fünf ins Abgeordnetenhaus eingezogen, im Saarland auf Platz vier in den Landtag. „In NRW starten wir richtig durch.“
Doch auf welcher Basis? Beim Piratenstammtisch in Burscheid hockt Ex-Sozialdemokrat Galow mit gerade einem Burscheider und einem Wermelskirchener Parteikollegen zusammen, dazu kommt ein weiterer Interessent aus Burscheid. Man wähnt sich als Teil von etwas „völlig Neuem“, träumt von Politik ohne Fraktionszwang, viel direkter Demokratie, reinen Sachentscheidungen und aktiv um Informationen bemühten Bürgern.
„Die Piraten als politische Formation kann ich nicht recht ernst nehmen, weil sie noch kein Programm haben“, sagt Lindner am selben Abend. „Aber ernst nehmen muss man die Wähler der Piraten, denn sie senden damit Signale aus.“ Lindners Auftritt im Megaphon war vereinbart worden, als er noch Generalsekretär der Bundespartei war. Jetzt ist er stattdessen Wahlkämpfer — der Beste, den seine Partei zu bieten hat. Liebling der Medien, authentisch in der Wirkung, ein begnadeter Rhetoriker ohne Überheblichkeit.
Nein, Mike Galow kann dem Politstar Christian Lindner nicht das Wasser reichen. Aber die aktuellste Umfrage sieht die Piraten in NRW bei acht Prozent. Die FDP steht bei vier. Wer ist hier eigentlich der Jäger und wer der Gejagte?