Geschichte Sonderschau: Philibert & Fifi im NS-Dok

Köln · Der junge französische Künstler Philibert Charrin wurde 1943 im Alter von 23 Jahren vom Vichy-Regime zur Zwangsarbeit in der Steiermark verpflichtet. Dort wurde als Erdarbeiter beim Glätten des Bodens für ein neues Elektrostahlwerk eingesetzt.

Blick in die neue Sonderausstellung „Philibert & Fifi“, die bis zum 30. Januar im NS-Dok zu sehen ist.  

Foto: step/Eppinger

Trotz der harten Arbeit dokumentierte Der Franzose in seinen Karikaturen und Zeichnungen unmittelbar vor Ort das Leben im westeuropäischen Lager. Zu erkennen ist dies an typischen Motiven wie der Schaufel, die sich immer wieder in den Zeichnungen findet. Zu den Besonderheiten zählt das Strichmännchen Fifi, als Alter Ego des Künstlers und als beobachtender Kommentator in den Karikaturen. Manchmal entdeckt man ihn sofort, bei anderen Zeichnungen ist es ein kleines Suchspiel, bis man Fifi gefunden hat. Er ist ein eher fröhlicher Geselle, der meist in Lächeln im Gesicht hat.

Die Zeichnungen und Karikaturen sind bis zum 30. Januar bei einer neugestalteten Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz zu sehen. „Die Idee dazu entstand beim Besuch einer französischen Gruppe von ehemaligen französischen Zwangsarbeitern bei uns in Köln. Ein Mitglied der Gruppe machte uns auf den Künstler aufmerksam, dessen Zeichnungen als Zwangsarbeiter in seiner Heimat in Vergessenheit geraten waren. Er hat früh mit dem Zeichnen angefangen und konnte es auch im Lager fortsetzen. So eine zeitnahe Dokumentation von Zwangsarbeitern ist selten. Außerdem gibt es nur wenige Dokumentationen aus den westeuropäischen Lagern, die sich deutlich von denen in Osteuropa entscheiden“, sagt Direktor Werner Jung, der nach dem Besuch der Gruppe mit der Witwe Anne Charrin in Paris Kontakt aufgenommen hatte.

Dort veröffentlichte Philibert Charrin 1945 ein Buch mit seinen künstlerisch hochwertigen Zeichnungen als Zwangsarbeiter und brachte ein Jahr später auch eine Ausstellung auf den Weg. Das Interesse seiner Landsleute war gering. „Die Zwangsarbeiter in Westeuropa galten in Frankreich als Mittäter und Kollaborateure. Ihre Entschädigung kam erst Jahrzehnte später.“ Kurz vor seinem Tod veröffentlichte der Zeichner 2006 noch einmal sein überarbeitetes Buch, wobei Fifi von ihm wegretuschiert wurde. Nach dem Kontakt zur Witwe gab es im NS-Dok 2016 eine erste Ausstellung mit Originalen, die als Wanderschau in verschiedenen Städten gezeigt wurde. Diese wurde nun mit Reproduktionen neu und dreisprachig konzipiert – auch mit der Hoffnung, dass sie eventuell auch in Frankreich gezeigt werden kann.

Nachdem Anne Charrin dem NS-Dok die Karikaturen, Bilder und Dokumente aus der Zeit bis 1945 geschenkt hatte, entstand die Idee, diese auch in einem neuen gedruckten Werk lebendig zu erhalten. Dieses zeigt das komplette Buch aus dem Jahr 1945, widmet sich aber auch dem Frühwerk des Künstlers, der mit 19 Jahren seine ersten Karikaturen zeichnete, die in französischen Satirezeitschriften zu sehen waren. Darin setzt sich Philibert Charrin mit dem Nationalsozialismus auseinander und karikierte Nazigrößen wie Hitler, Göring und Goebbels. Auch in der Zeit im Lager werden noch Zeichnungen von Charrin in Frankreich veröffentlicht – auch solche, die sich kritisch mit der Zwangsarbeit auseinandersetzen. Diese leben vor allem von der Verbindung von Text und Bild. Die österreichischen Aufseher im Lager kommen dabei nicht besonders gut weg. Das 272 Seiten umfassende Buch gibt es für 15 Euro im NS-Dokumentationszentrum.